Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 18. Januar 1945

18.1.45

Mein liebes Lottenkind,
Meine lieben Geburtstagskinder,

am heutigen Tage denke ich recht intensiv an Euch und da morgen von hier ein Urlauber nach Bad Godesberg fährt, kann ich sogar hoffen, dass der Brief bald in Euerer Hand die Post versagt gänzlich. Das letzte Lebenszeichen, daß ich von Godesberg erhielt, waren die Weihnachtsplätzchen, die mir ausgezeichnet geschmeckt haben. Ich danke recht herzlich. Ein Vergleich mit Lenchens Plätzchen, den Du fürchtetest, ist nicht möglich, da Lenchens Paket, obgleich bereits Anfang Dezember abgesand, noch nicht angekommen ist. Mir geht es hier recht gut, nur der gänzliche Mangel irgend einer Nachricht von Euch und den Kindern in Frielendorf ist furchtbar. Da kann einer sterben und verderben und seine nächsten Angehörigen erfahren nichts. Weiß ich, wie es Euch geht, weiß ich, ob Ihr noch in Godesberg seid. Bekommt Ihr meine Post? Wie lange ist der Einschreibebrief vom 5.1.1945 unterwegs gewesen? Könnt Ihr einigermaßen ungestört Geburtstag feiern? Wie wünsche ich Euch im neuen Lebensjahr von Herzen alles Gute und vor allem Gesundheit. Doch sind in dieser Zeit nicht alle Wünsche gegenstandslos, muss man nicht dankbar sein, wenn man das nackte Leben durchbringt.

Das Jahr 1945 wird ja nun sicher die Entscheidung bringen. Von allen Parteien werden die letzten Anstrengungen gemacht. Lange kann diese Anspannung keine Partei ertragen. Wie wird das Ende aussehen. Die letzten Trümpfe werden bald auf beiden Seiten eingesetzt. Ich will übrigens versuchen, Euch dieser Tage anzurufen, um die quälende Ungewissheit loszuwerden. Meine Wirtsleute hier sind nach wie vor reizend. Wenn andere Zeiten wären, wäre Lotto längst hier gewesen. Edelmanns bedauern es so sehr, Dich nicht kennen lernen zu können. Eine frühere Einquartierung hat ihre Frauen hier gehabt. Es wäre hier so einfach, wie nie bisher. Durch einen Krach mit dem Oberfeldwebel Edel, den meine Stabshelferin Frl. Pickl hatte, ist sie sofort versetzt worden. Dadurch bin ich z.Zt. ohne Hilfe und muss schwer wühlen. Die Arbeit drängt so, dass ich diesen Brief, der mindestens 4 Seiten lang werden sollte schon schließen muss.

Hoffentlich kommt bald Post von Euch. Ich bin sehr unruhig.

1000 liebe Grüße an Euch alle, besonders die Geburtstagskinder und Dir Lotto einen nein viele, viele liebe Küsse  
Dein Mann

Erich Ehen lässt Dich herzlich grüßen.