Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 30. November 1940

den 30.11.40

Mein liebes Lottenkind,

endlich sind wir hier angekommen. 15 Stunden auf der Bahn ist selbst für einen Fahrtbegeisterten wie mich ein bisschen viel zumal ohne Speisewagen und ohne einen Schluck warmen Kaffees oder Wassers. Wir sind fast durch ganz Holland gefahren, auch an Julius Pütz vorbei (stimmt die Anschrift mit Genscherstraat 102a noch) Wir haben auch

Rotterdam gesehen. Zuerst war alles ganz, plötzlich kamen wir an den Stadtteil, der bombardiert worden ist. Lotti – ausradiert ist der einzige Ausdruck, der das Ergebnis eines nur 20-minütigen Bombar-

dements richtig wiedergibt. Wassergefüllte Keller sind alles, was übrig geblieben ist von der City von Rotterdam. Sonst haben wir von den Spuren des Krieges fast nichts gesehen. Die Bevölkerung ist sehr abweisend. Wir sind hier in A. Noch in die Kaserne eingeschlossen und dürfen noch nicht in die Stadt. Ich habe das Gefühl, als ob wir nicht lange hier blieben, sondern von hier verteilt würden. Immerhin wird mich ein sofort geschriebener Brief wohl noch hier erreichen. Aber bitte von nun an „Soldat“ nicht mehr Flieger Feldpostnummer 407147 Lgpa Amsterdam über Bentheim. Wir haben jetzt ein schlaues Leben. Dienst ist nur noch ein blasser Abglanz von dem was wir aus Reinsehlen gewöhnt

waren. Vielleicht kann ich hier noch Schokolade und Kaffee bekommen. An die Gestapo schreibe ich von hier aus. (Es geht offenbar um ein beschlagnahmtes Haus aus den Hausverwaltungen, wie ich vermute, aus Arisierung oder politischer Verfolgung. Die Gestapo will das Haus verkaufen.) Lege bitte sofort eine Quittung über die Provision für den Hausverkauf zu den Akten Preis 7000,- Mk = 210 oder waren es 7500,- dann sind es 225,-. Bespricht es mit Weil. Er kann nichts dagegen haben. Datum etwa drei Wochen nach Abschluss.

Herzlichste Grüße dein
Harald

Gruß an alle