Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 1. November 1941

1.11.41

Mein Lotting,

Ob dieser Sturm wohl jemals wieder aufhören wird? Er tobt jetzt schon seit zwei Tagen und wie. Alles bebt auf der Insel. Die See brüllt uns nachts wach, Sand von den Dünen fegt über die ganze Insel und tut auf der Haut W. Wir haben uns bisher dadurch geholfen daß wir wie die Verrückten geheizt haben. Die Baracken hier sind so schlecht und vom Sturm verzogen, daß es an allen Ecken hereinbläst. Es wurden dadurch natürlich ungeheuere Mengen Kohlen verbraucht 4-5 Eimer pro Stube. Das ist jetzt verboten. Vor den Kohlen steht ein Posten unter Gewehr. Es gibt nur noch einen Eimer pro Stube. Der Erfolg ist, daß es überall hundekalt ist. Wir machen es bei uns so, daß wir nur abends heizen, da wir tagsüber im Büro sind. Dann geht es. Es wird aber doch Zeit, daß wir aus diesem zugigen Winkel raus-

kommen. Der Major kommt heute aus Berlin wieder. Mal sehn was er mitbringt. Deinen Brief vom 26. habe ich gestern bekommen. Die Nachricht vom Tode von E. Köster und Jürgen March hat mich sehr gepackt. Es ist eine Schande um den prächtigen, kraftstrotzenden Jürgen und auch die Mieze tut mir leid. Bekomme ich wohl noch jemals eine Vesdepzeitung. Hat Frl. Hessel die Nummer mit Vaters Nachruf wiedergebracht.

In keinem Deiner Briefe finde ich eine Bestätigung meiner Geldsendungen. Die Briefe hast Du aber doch offenbar bekommen, da Du auf den Inhalt eingehst. Bitte bestätige doch kurz, da ich recht unruhig darüber bin.

Trotz Sturm kam der Tommy heute nacht. Es wurde wie rasend geschossen. Wir haben auf unserer Bude “Dux“ , den Hund vom Major ein riesenhafter Schäferhund, auf den Maiss

aufpassen muß. Der Dux winselte und heute fast die ganze Nacht und hatte eine schreckliche Angst. Gestört hat er nicht, denn wir konnten vor Sturm und Flakfeuer doch nicht schlafen. Eine feine Witterung hatte das Biest. Er war jedes Mal am unruhigen bevor ein neues Geballer losging. Nach einer fürchterlichen Schießerei legte er sich plötzlich beruhigt in seine Ecke, sah uns zufrieden an und schlief ein. Von da an war tatsächlich nichts mehr los. Woher wußte er das. Woher wußte er vorher wann geschossen wurde.

Ich habe schon seit Wochen keine warmen Füße mehr. Unter meinem Stuhl ist eine beinahe 2 cm breite Spalte im Fußboden, aus der heraus es schamlos zieht.

Die Verpflegung wird auch dauernd geringer gestern Abend bekamen wir eine Scheibe Wurst (Du kennst die Portion) und etwas Marmelade

das war alles für gestern Abend und heute früh. Es wird Zeit, daß wir eingesetzt werden, sonst sterben wir hier den Heldentod pfundweise.                         1000   Grüße                 Dein Mann