Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 20. Juni 1942

den 20.6.42

Mein liebes, liebes Lottenkind,

Nun bin ich glücklich wieder hier. Die Reise ist glatt gegangen. Die eine Stunde Aufenthalt in Köln habe ich dazu benutzt,mir schnell etwas anzusehen. Das Wichtigste, was Dich interessieren würde ist, daß Kaffe Reichardt, der Bayerische Hof, Euer Haus (Anm: Lottis Vater, Ernst Hechtle, hatte auf der Hohestr., etwa in Höhe des Kaufhofes, einen Juwelierladen besessen. Das haus wurde verkauft, als die Familie 1919 nach Godesberg zog. )nicht getroffen sind. Getroffen ist dagegen Sauer (Dachstuhl), Fürstenberg (vollkommen). Schlimm sieht die Ecke Tietz-Michels aus (vollkommen ausgebrannt). Bei Alter Markt fehlt die ganze Rheinseite, gräßli ist der Eigelstein, , die Zeppelinstraße und die Partie hinter dem Wallraff-Richard-Museum, während das Museum selbst unbeschädigt zu sein scheint, aber schon die Kirche dahinter ist kaputt. Man könnte noch viel erzählen, aber es sieht ja fast überall gleich schlimm aus, obwohl es auch Ecken gibt, wo nichts passiert ist. In

einigen Trümmern qualmt es noch. Bei der Weiterfahrt wurden wir bei Osnabrück vom Tommy überrascht. Als wir auf dem Bahnhof hielten, fing gerade die Flak an zu schießen. Wir waren gerade etwa 1 km aus Osnabrück raus, da standen schon etwa 100 Leuchtschirme am Himmel. Es sah aus wie ein riesenhafter Christbaum. Es hat anschließend auch sehr heftig gebrannt, denn wir konnten den Feuerschein bis in die Nähe Bremens sehen. Der Hamburger Schnellzug, der hinter uns lag, ist auch nicht mehr durchgekommen, er war als ich um 6,40 aus Bremen weiterfuhr noch immer nicht eingelaufen, hatte also schon über 3 Stunden Verspätung.

Die Städte Mühlheim, Oberhausen und teilweise auch Duisburg sollen übrigens ähnlich wie Köln aussehen. Von der Bahn aus ist das allerdings nicht festzustellen. Theos Haus, das man ja sehen kann, ist ganz.

Ich bin hundemüde, denn ich bin jetzt fast bald 34 Stunden auf den Beinen und fand hier auch allerhand vor.

Denk Dir mal, um ein Haar wäre ich aus dem Urlaub zurückgerufen worden. Der Unteroffizier holen, der mich vertrat, hat Magengeschwüre bekommen und fiel fast aus. Daraufhin hat Hptm. Rech bestimmt, daß ich zurückzuholen sei. Hohle hat aber erklärt, daß er unter diesen Umständen weiter Dienst mache. Ist das nicht grundanständig!

Er wird jetzt anschließend in Urlaub fahren. Dieser Umstand und

die Tatsache, daß sich in Sachen unsere Verlegung noch nichts weiter getan hat, veranlaßt mich vorzuschlagen, daß Du erst nach Stettin hierherkommst. 1. muß ich jetzt anstandshalber die Vertretung von Hall übernehmen und hätte dann doch weniger Zeit für Dich und 2. bist Du schon etwas erholt von Stettin und 3. kommt unser Zusammensein nicht so nahe aufeinander und die Zwischenräume werden dann nicht so groß. Fahre also etwa Ende Juni nach Stettin und komme Mitte oder Ende Juni nach hierher.

Ich fand hier einen lieben Brief von Schilling vor und einen Pfingstgruß von Frau v. Salvini-Plawen. Ein Osterpäckchen daß sie erwähnt, muß verloren gegangen sein.

Durch den Trubel bin ich noch zu keiner klaren Empfindung gekommen es ist nur ein etwas trauriger Unterton in mir, daß die schöne Zeit mit Dir so schnell verrauscht ist, und heimlich freue ich mich schon wieder auf das Wiedersehen.

Hier ist immer noch Frühling. Ich grüße Euch alle recht recht herzlich und Dir gebe ich einen lieben innigen Kuss            
Dein Harald