Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 30. Januar 1941

30.1.41

Mein lieber Harald!

Ein paar Worte will ich Dir schreiben, ehe die Führerrede anfängt. Die Omis sind weg, ebenso die Kinder, teils draußen, teils im Spielzimmer bei Anneliese, und es ist herrlich ruhig. Und die Rede werde ich mir an Hand von zu stopfenden Strümpfen anhören.

Gestern rief Gerd Brand an und fragte nach Dir. Er liegt in Schiphol bei einer Scheinwerferbatterie 'Cäsar' und möchte Dich sehr gerne einmal treffen. Heute ist sein Urlaub zu Ende.

Unser Kränzchen will augenblicklich nicht. Frau Stein kann nicht, da sie kein Mädchen hat und nicht weiss, wohin mit den Kindern, Lenni ist in Köln, Frau Schubert hat zwei Pfleglinge, unten Tulita, die den Fuss gebrochen hat und oben Frau Knoop, die einen Schlaganfall bekommen hat und Frau Holtmann hat die Grippe. Ich müsste also schon mit mir allein das Kränzchen machen. Unsere Kinder sind natürlich jetzt immer bei Tulita, morgens und nachmittags, um ihr die Zeit zu vertreiben.

Heute morgen war ich bei Dr. Monar mit den beiden Großen zum Nachsehen. Ich habe bei beiden die Tuberkulinprobe machen lassen, die Gottseidank negativ ausgefallen ist. Du glaubst nicht, was ich in diesen Tagen für eine Sorge hatte. Aber um ganz sicher zu gehen, will Dr. Monar die Probe in einem halben Jahr noch einmal wiederholen, da man nie wisse, wie lange ein Keim brauche, um wirksam zu werden. Und ich solle sie vorsichtshalber, wenn sie krank sind, etwas länger im Bett wie nötig lassen. So ist das nun, man schickt die Kinder weg, um ihnen was Gutes zu tun, und macht gerade das Falsche. Sie waren immerhin neun Wochen (bei Lottis Schwester Thea und dem lungenkranken Schwager) in Stettin. Lebertran hat ihnen Dr. Monar auch aufgeschrieben. Ich hatte ihnen schon ein paar Flaschen diesen Winter gegeben. Und beobachten werde ich sie auch weiter. Aber so lange sie so vergnügt sind und solchen Appetit haben, sind sie ja wohl nicht krank. Und Dr. Monar meinte, man merke auch das Anfangsstadium durch Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit und Fieber

Jetzt spricht der Führer .