Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 20. November 1941

den 20.11.41

Liebster Mann!

Jetzt kommt der liebe Brief. Ich habe mein seelisches Gleichgewicht wieder. Omi ist den Nachmittag in ihrem Kränzchen, und ich bin mit Jürgen im Sportwagen und Frau Hillenbrand mit ihrer Margot spazieren gegangen. Als ich nach Hause kam, habe ich bei Stövchenlicht Kaffee getrunken und dann in der Dämmerung mit den Kindern Klavier gespielt und gesungen. Klaus hat augenblicklich eine entzückende Zeit. Er ist aus dem Tapsigen raus und wird so niedlich und aufgeweckt. Jürgen hat auf dem ganzen Weg gesungen. Vorhin habe ich ihn gefüttert, und augenblicklich essen die vier anderen unten zu Abend. Die Kinder sind so zärtlich und goldig, wenn man den richtigen Ton mit ihnen hat, und ich bin immer wieder stolz auf die gute Rasse, die alle zeigen.

Ich muss jetzt auch an die Weihnachtsbäckerei denken, und will versuchen, weil ich ja Kakao habe, Süßigkeiten selber zu machen, vielleicht gelingt es. Die Zuteilung für die Kinder habe ich heute bekommen.

Ich denke so viel an Dich und vieles tue ich in Gedanken an Dich, weil ich weiss, dass Du es so gerne hast. Und ein bisschen Trost ist es ja doch, wenn ich denke, dass Du mit Deinen Gedanken so lieb bei mir bist.

Im Zimmer hängt noch der Kerzengeruch vom Stövchen, das ist so hübsch.

Eben kommt Heidi und bringt mir einen unmöglichen Vers, den ihr Jochen und Klaus Rauheiser beigebracht haben. Das sind die beiden jüngsten vom Forsthaus. Im übrigen hat Frau Clausen sehr viele patente Seiten.

Ich wünschte, Dir heute abend unser hübsches Zimmer (das Komma sitzt nicht falsch, weil ich es nicht weiss, sondern weil es mir ausgeglitscht ist.

10000000000000000000000000000 Küsse ,      Deine Lotti

Den anderen habe ich eben zerrissen, aber Mutter behandelt mich in einer Weise, die ich mir nicht gefallen, lassen kann. Sie wirft mir die Worte hin wie einem Hund den Knochen, und alles das, weil ich meine Pflichten vernachlässige, aber schließlich sei das bei der Hechtleschen Erziehung kein Wunder. Sie behandelt mich wie eine pflichtvergessene Hausangestellte. Ich halte das nicht mehr lange aus.