Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 13. Februar 1941

13.II.41

Mein liebes Lottenkind,

Heute habe ich Dein Telegramm bekommen. Der arme Onkel (Emil)! Jetzt auch das noch. Hoffentlich bringt ihm dieser Schlag ein sanftes Ende, damit er endlich von seinen Leiden erlöst wird!

Was ich von seinen Sachen weiß, habe ich Dir geschrieben. Alles wichtige liegt in einer großen schwarzen Aktenmappe in einer Schublade seines Schreibtisches. Ob ich bei seinem eventuellen Tod kommen kann ist sehr fraglich, weil unser Unteroffizier auf Urlaub ist und wir deshalb viel Arbeit haben, aber versuchen will ich es doch. Lotting, hoffentlich braucht keiner von uns beiden an seinem Lebensende so einsam zu sein wie der arme Onkel. Es lag doch eine große Tragik über dem Leben dieses früher so geistsprühenden Mannes. Ob verschuldet oder nicht steht uns nicht zu zu richten. Ihr werdet ja wohl auch Trude (Herkenrath=Stieftochter) verständigt haben. Sagt auch ihr, wie leid mir der gute Onkel tut. Die Verkrampfung, die in den letzten Jahren über seinem Wesen lag, war wohl der verzweifelte Versuch, sich und andere darüber wegzutäuschen, wie trostlos seine Lage war.

Sag auch Trude, wie sehr ich mich gefreut habe, August mal mit vollem Bewustsein (!) zu erleben. Sein Bild war mir immer unklar, weil es fast nur auf Schilderungen anderer beruhte. Ich muss aber sagen, es ist ein famoser Mann, den ich sehr hoch schätze. An die schönen Stunden mit ihm denke ich noch gern und mit innerem Ver-

gnügen zurück. Ich habe mir fest vorgenommen, Herkenraths mal zu besuchen. Wenn es geht mit Dir.

Ich glaube, dass meine Stellung hier beim Stab schon sehr fest ist und ich habe nichts dagegen, denn als einfacher Flieger kann ich kaum eine interessantere Stelle haben. Es sitzen hier nur intelligente Leute, mit denen gut umgehen ist. Die einzige Ausnahme ist der Feldwebel, der zwar auch nicht dumm ist, der aber durch Alkohol und Weiber stark runtergekommen ist, sodaß er immer schläfrig aussieht und ist. Es stört mich aber nicht weiter.

Der Tommy hat ja wieder in der Luft und auf See ordentlich eins drauf bekommen. An den Nachtjagdabschüssen sind wir auch beteiligt. Die meisten Kampfhandlungen spielen sich aber weiter südlich im Sektor von (unleserlich) ab.

Holland erwacht langsam zum Vorfrühling, die Stare sitzen in langen Reihen auf den Telefondrähten und (unleserlich) oder machen den anderen Vögeln nach die ihr Liedchen ein. Die Luft ist sehr feucht aber schon mild und die Weiden im Ried jenseits des Kanals haben schon eine andere Farbe bekommen. Dabei hat es doch noch vor ein paar Tagen Stein und Bein gefroren.

In Amsterdam hat der Frühling auch schon die Gemüter ergriffen, aber anders als man meinen sollte. Es krieselt (!) dort seit einigen Tagen. Die Urlauber erzählen, dass überall Polizei mit Stahlhelmen herumläuft. Die N.S.B. (Nationalsozialisten v. Holland) schlägt sich mit den Juden und mit den anderen Holländern herum. Sie müssen doch auch ihr Revolutiönchen haben.

Es grüßt Dich herzlich                             Dein                 oller                             Harald