Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 31. Januar 1942

den 31.1.42

Mein lieber, lieber Mann!

Ich habe das irgendwie geahnt, dass Du anrufen würdest, denn ich habe das Telefon sorglich nach unten gestellt gehabt. Und da Du sicher aus irgendeinem Lokal angerufen hast, denke ich, dass Du heute abend, so gemütlich es für Dich irgend geht, etwas feierst. Man hat doch das Gefühl, das müsste gefeiert werden, so ein Tag, und ich war seit dem frühen Morgen durchaus aufgelegt dazu und hatte vor, mir recht was Gutes anzutun.

Aber da ist nichts draus geworden. Der Haushalt ließ mir keine Zeit dazu. Und auch daraus, in den Film zu gehen, ist nichts geworden, trotzdem ich dafür schon drei Tage vorgearbeitet hatte. Mutter fühlte sich nach Tisch so müde, dass sie nicht wollte, dass ich ging. Aber nun hast Du wenigstens angerufen, und es ist doch noch was Schönes an diesem Tag passiert.

Ach, Harald, heute vor neun Jahren. Ich hatte tausend gute Vorsätze an diesem Tag gefasst, wie ich Dir eine gute und tapfere Frau und Kameradin sein wollte. Ach, was wollte ich nicht alles. Und wie war es doch schön, wie wir zusammen aufbauten.. Damals meinte ich, dass der Haushalt mich lange nicht so interessiere wie dieses gemeinsame Arbeiten und jetzt meine ich, dass ich wohl nie wieder den Haushalt hergeben möchte. Aber vielleicht wird es später wieder andersrum. Ich finde wohl immer das gerade schön, was ich tun muss. Und das ist ja auch wohl richtig.

Ich bin froh, dass es nicht mehr so kalt ist, denn das Arbeiten wird doch sehr erleichtert. Das Miese ist das ewige Putzen, das man nicht bewältigen kann, man kann es einrichten, wie man will. Das Schöne ist, dass die Kinder mir nun ohne jeden Einfluss von anderer Seite ganz mir gehören.

Das Ins-Bett-Bringen ist für uns alle eine Freude. Ich lese ihnen jeden Abend, wenn sie sehr schön aufgeräumt haben und früh ins Bett sind, ein Kapitel aus dem Osterhasenwunderland vor, und das ist ein mächtiger Antrieb. Heidi sorgt am meisten dafür, dass alles blank ist und ist überhaupt diejenige, die aufräumt, die anderen tun nicht viel daran. Ich habe ihr aber versprochen, dass, wenn ich irgendeinmal wieder nach Köln fahren würde, sie mitnähme. Darauf freut sie sich jetzt schon doll, das kleine Ding.

Klaus spielt jeden Tag mit seinen Soldaten. Ein paar haben leider schon den Kopf verloren, aber die kann man dann ganz gut als Verwundete gebrauchen. Heidis Puppenwickelkommode ist die Kaserne.

Heute haben übrigens unsere beiden Ströppe Zeugnisse bekommen. Helgas ist natürlich gut ausgefallen, nur im Rechnen

hat sie befriedigend, was sie immerhin sehr kleinlaut hinnahm. Heidis Zeugnis enthält nur den lapidaren Satz: Ihr Streben ist befriedigend.

Ich hatte Dir doch vor ein paar Tagen von der Aussicht des Milchholenmüssens geschrieben. Als ich dann am Nachmittag aus der Stadt nach einer heftigen, aber immerhin nicht vergeblichen Jagd auf eine Milchkanne zurückkam (dunkelbraun, für 10 Liter, darin verschwinden die 1 1/4 Lt. täglich, kam mir die arme Mutter völlig aufgelöst entgegen. Die Kinder hatten am Morgen die Wasserhähne im Kinderzimmer aufgedreht, und da nichts rauskam, offengelassen. Nun nach Tisch, die Mutter lag auf meiner Couch, hört plötzlich ein Rauschen und der ganze Segen der überlaufenden Wassserhähne kam durch unsere Decke. Es sah herrlich aus. Ein riesiger Fleck ist heute noch nass an der Decke, die Couch hat Gottseidank unter der Nässe nicht gelitten, schwamm aber förmlich. - Ich nehme an, dass unsere Pechserie, denn in dieser Woche war es immerhin reichlich, damit ein Ende hat.

Weil ich nun die Milchkanne habe, können die beiden Großen abwechselnd die Milch holen. Gerne tun sie es gerade nicht.

Ach, Pappi, heute kam die Einkommensteuererklärung, vorsichtshalber an Frau Lotte Endemann adressiert. Kriege ich nun eine Strafe, wenn ich sie nicht abgebe? Ich weiß doch nicht, wie ich das machen soll. Soll ich sie seelenruhig liegen lassen?

Ach, Pappi, ich glaube, der Brief klingt etwas hölzern, aber das musst du nur meiner grossen Müdigkeit zuschreiben. Aber gerade aus dieser Müdigkeit heraus bin ich heute abend anlehnungsbedürftig und zärtlich und möchte gehuschelt werden und möchte vieles Schöne mit Dir erzählen von früher und später. Ich bin so schrecklich müde.

10000 Küsse, Deine Lotti Dein Hochzeitsfru.

Was an mir liegt, komme ich nach Wangeroog. Nur mußt Du mit überlegen wie ich es mit dem Geld für E. mache. Das möchte ich so schnell wie möglich erledigt haben. Das andere deichsle ich dann schon.