Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 18. Juni 1941

den 18.6.41

Liebster Mann!

Die Mittagspause benutze ich, um Dir zu schreiben. Draußen ist wunderbar heißer Sommer, so wie ich ihn mir wünsche, und die Kinder haben bloß die Spielhöschen an. Klaus klettert jetzt übrigens, nicht gerade hoch, aber bis in die Zweige des Fliederbaums neben dem Sandkasten. Ich wollte es ihm verbieten, aber dann dachte ich an Dich und dass Du sagen würdest: Gottseidank, dass der Junge endlich klettert, und da habe ich ihn gewähren lassen.

Gestern habe ich den Kränzchen-Kaffee hinter mich gebracht. Getrunken wurde der Kaffee im Esszimmer, das wirklich langsam ein Gesicht bekommt. Im Erker liegt der Beiderwand-teppich, und darauf steht das Fünffingerblatt und der Gummibaum, und auf dem Tisch liegt eine wunderschöne, altgoldene brokatartige Decke mit großen Blumen, eingefasst mit einer goldenen Borte, wie aus dem Schaufenster von Kemp. Sie ist aber aus alten Vorhängen Deiner Mutter gemacht, die jahrzehntelang im Schrank gelegen haben. Jetzt muss ich noch die Uhr wegkriegen, die nicht sehr schön ist und auch nicht mehr repariert werden kann. Sie ist endgültig hin und hängt nur noch aus Pietät da. Über dem Ofen hängt der van Gogh und geradeaus mein Bild. Und zum Geburtstag habe ich so viel Schiefblätter und andere Pflanzen bekommen, dass die Fenster besetzt sind.

Vorgestern kam als Überraschung der Briefträger und brachte mir vom Finanzamt 150.- Mk. Kinderzulage Januar bis Mai. Und gestern bekam ich den schönen Brief von Hanno Platz, oder vielmehr Du bekamst ihn mit dem Scheck für die Kinder. Ich lege den Brief bei, damit Du danken kannst. Ist das nicht ein netter Gedanke?

Hast Du wegen der Schuhe, für den Holtmannjungen etwas unternommen? Oder soll ich das Geld zurückzahlen?

Heute nachmittag fahren die Kränzchendamen auf dem Dampfer nach Grafenwerth. Und ich fahre mit. Ich bin auf Grund der Zulage leichtsinnig geworden und will diesen Sommer mal Dampfer fahren. Und ich nehme die drei Großen mit. Ich weiß noch, wie herrlich ich es als Kind fand, da am Strand Steine zu schmeißen. Und überhaupt ist ja Grafenwerth erinnerungsvoll und ich werde ein bisschen daran denken. Wie jung waren wir doch damals.

Gestern ist zu Nutz und Frommen der Bürgerschaft an allen Ecken in Godesberg vorgeführt worden, wie man Brandbomben bekämpft. In dieser Nacht war der Engländer nun nicht da. Man hatte sich schon wieder an den allnächtlichen Alarm gewöhnt. Und Ihr werdet verlegt. Das ist das, was mich an Deinem Brief am meisten interessierte und mich ununterbrochen bewegt. Wo magst Du hinkommen, und wann werden wir uns wiedersehen?

Eben kommt durchs Radio, dass sich Prinz zu Lippe besonders mit seinem Flugzeug in der Nachtjagd ausgezeichnet hat. Ich gratuliere Euch. Einen Ritterkreuzträger habt Ihr auch. Ihr seid fein.

Und die Türken haben einen Freundschaftspakt mit uns geschlossen.

Ich denke eben an Deinen kommenden Geburtstag und dass Du ihn nicht mit Pützens feiern kannst und vielleicht sogar ohne Post von zu Hause dann gerade bist. Was würde Dir Freude machen? Gerade, wenn Ihr verlegt werdet, kann ich doch schon gar nichts schicken, das Du nicht gebrauchen kannst. Ich möchte aber, dass Du ab Deinen Geburtstag merkst, dass wir Dich lieben haben und dass ich Dir eine Freude machen will

Und jetzt muss Din Lott sich umziehen und die Trabanten fertigmachen. Das Schiff fährt um drei Uhr. Klaus freut sich unbändig auf die Fahrt. Viele, viele Küsse! Din Lött.