Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 24. Dezember 1942

den 24.12.42

Mein lieber, liebster Mann!

Eine kurze halbe Stunde jetzt nach Tisch soll Dir gehören. Es ist so herrlich ruhig jetzt, und alle Vorbereitungen sind fertig bis auf die süße Speise, da warte ich nur auf den Hoffmann der die Milch bringen soll.

Ich sitze hier am Ofen, und das Weihnachtszimmer nebenan ist so, wie Du es immer kennst. Der Baum steht in seiner Ecke, auf dem großen runden Tisch, der ans Sofa gerückt ist, haben Helga und Heidi ihre Sachen, auf einem Tisch vor der Tür zum Flur Klaus und Ursel, und daneben auf dem Spieltischchen Jürgen. Im Wohnzimmer ist der kleine Schreibtisch wie immer hergerichtet worden, früher war er für mich allein, und jetzt haben noch die beiden Omis und Lisbeth ihre Sachen mit drauf. Im Erker steht kein Tisch, diesmal ist es nicht nötig gewesen. Aber im Krug auf dem kleinen Hocker steht ein großer Tannenstrauß, nur behängt mit silbernen Sternen, und in der Mitte hat er eine gelbe Kerze. Auf dem Tischchen vor der Couch brennt dann heute das dicke Wachslicht, und das silberne Körbchen mit Gebäck steht da.

lm Esszimmer unten steht auch schon der Kaffeetisch gedeckt mit Christstollen, und alle Kinder liegen (Gottseidank) in den Bettchen und werden vor halb vier nicht rausgelassen. Ich hatte sie nach Tisch geschruppt und dann reingesteckt. Jürgen ist entsetzlich aufregend. Er hat noch keinen Begriff von Weihnachten, will aber mit zäher Beharrlichkeit ins Weihnachtszimmer, und weil er die halbe Zeit Posten vor der Türe steht, habe ich jedes Mal einen Kampf auszufechten, wenn ich raus oder rein will. Einmal hat er es fertiggebracht und hatte auch im Augenblick in der rechten Hand ein Auto, in der linken ein Plätzchen. Aber danach hättest Du ihn toben sehen sollen, als er aus diesem Paradies rausgeworfen wurde. –

Du wirst jetzt wohl sehr an uns denken, und ich meine, ich spüre Dich richtig. Ob ich heute nachmittag Post von Dir kriege, oder rufst Du an? Einmal wird man ja wieder was von Dir hören.

Du fehlst mir heute so sehr. Es ist auch so, dass ich für alle um mich herum das Weihnachten so schön mache, wie es irgend möglich ist, und es soll an nichts, was zur Tradition gehört, fehlen, aber Du hast mir das Weihnachten schön gemacht. Und als Sinnbild wandert heute abend das große Stück Mouson-Badeseife im Holzkästchen wieder auf meinen Tisch. Das wird es solange tun, bis wieder Frieden ist und Du mir den Weihnachtstisch richtest.

Harald, soll ich Dich wieder in Köln abholen? Aber Du musst bedenken, dass wir seit einer Woche wieder jeden Abend Alarm haben und dass ich dann nicht aus dem Haus kann. Also musst Du dann keinen Schrecken bekommen, wenn ich eventuell nicht da stehen werde.

Die Mu traf eine Dame, die Frau Angelkorte kennt. Also, Dürens ist nichts passiert bis auf sämtliche Fensterscheiben, die wieder hin sind. Aber um sie herum ist unglaublich viel zerstört. Theo war in der Nacht noch nicht da, er kam erst ein oder zwei Tage später. –

Von Hjalmar von Schwartze bekam ich eine Karte und soll Dir Grüße bestellen. Eine Bombe hat auch sein Haus durcheinander gewirbelt und nun kann er unter anderem Deine Adresse nicht mehr finden. Seine Familie ist in Tirol, weil das Haus unbewohnbar geworden ist. Dann schrieb auch Hermann Hüls, Änne Borgmann schickte ein großes Paket Erbsen, Otto ein sehr hübsches Weihnachtspaket, Hansi ebenfalls. Deine Puppe kam auch an, Tante Klara schickte ein großes Paket Äpfel, Hansi ein Paket mit lauter möglichen und unmöglichen Dingen.

Ja, und jetzt muss ich meine Vorbereitungen weitermachen. Du weißt ja, wie es zugeht. Ich küsse Dich lieb und viele Male.

Deine Lotti
(Der Federhalter ist weggeräumt)

Mein lieber Harald. Vor lauter Arbeit und Vorbereitungen bin ich zu keinem längeren Brief gekommen, ich füge darum Lottis Brief alle guten Wünsche für das Weihnachtsfest bei, in 8 Tagen bist Du ja wieder hier, dann können wir noch mal alle mit dem l. Pappi feiern.

Darauf freuen sich alle schon. Also bleibe gesund bis dahin und feiere so gut es eben Dein Weihnachtsfest. Sei herzlich gegrüßt Deine Omi Hechtle.