Charlotte Endemann an ihren Mann Harald,11. Oktober 1941

den 11.10.41

Lieber Mann!

Heute sind es nun acht Tage, dass Du fort bist. Ich habe allerdings eben erst daran gedacht, denn heute morgen war bei den Blagen der Teufel los. Angefangen hatte es mit zwei nassen, gestern frisch bezogenen Betten, weiter ging es mit allgemeiner Klopperei und Bockigkeit Helgas. Ich war heute morgen todunglücklich über den großen Haushalt. Jetzt geht es schon wieder besser.

Bei dem prachtvollen Wetter heute hatte ich eigentlich erst vor, mit den Kindern ins Gebirge zu gehen, aber Helga, der die Kleinen die Aufgaben ausgewischt hatten, sitzt jetzt und macht sie neu. Ursel und Klaus hauen sich unten unter großem Gebrüll. Jürgen ist ja noch der Beste, aber er gewöhnt sich an, bei allem, was ihm gegen den Strich geht, so laut zu brüllen wie Ursel. Er stößt dann richtig gellende Töne aus. Aber zum Schreien war er heute morgen. Da versuchte er in aller Stille auf dem Teppich Purzelbäume zu schlagen, kriegte sie nicht fertig und stand die halbe Zeit auf dem Kopf.

Eben kam die Sondermeldung. Dann müssten wir ja kurz vor Moskau stehen, wenn die Schlachtfelder von Wjasma und Brjansk weit hinter uns liegen.

Klaus steht neben mir. Ich soll Dir was von ihm schreiben, z.B. dass er heute mittag schön bei Tisch gesessen hat, aber nicht, dass er vorhin Ursel mit dem Lineal auf den Kopf gehauen hat.

Von der Mu bekam ich heute eine Karte. Sie hat überhaupt nicht auf meinen langen Brief reagiert außer einem Dank. Also scheint sie der hohe Preis des Umzugs nicht sehr erschüttert zu haben. Sie schreibt, dass sie, Thea und Hans, abends oft Zukunftspläne ausmalen, wie es ist, wenn wir alle da oben wohnen und dass dann unsere Kinder zusammen in die Tanzstunde gehen (Hans freut sich auf den ersten Tanz mit Helga), und Thea freut sich darauf, Walzer mit Dir zu tanzen.

Von Hansel bekam ich ebenfalls Post. Das arme Wurm führt einen wahren Krieg, weil sie nun ein Stipendium erhalten kann und vom Gau nicht freigelassen wird. Außerdem hat sie Kreislaufstörungen. Und kein Geld.

Lieber Pappi fiele Grüsse sended dierd

Ich bin unterbrochen worden und nun ist es gleich fünf. Ich schließe diesen Brief, damit er in den Kasten kommt. Ich wünsche, Du wärest hier, Deine Lotti