Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 20. April 1941

B. , den 20.4.41

Liebes Lottenkind,

Da ich noch nicht weiß, ob ich heute nachmittag zum Schreiben komme, will ich Dir lieber den Brief, den ich an Blatzheim so eben geschrieben habe mit Durchschlag und Brief vom 24.6.38 schnell schicken.

Wir haben hier nur noch eine Schreibmaschine und die rattert den ganzen Tag. Es ist daher schwer geworden, Privatkorrespondenz mit Schreibmaschine zu erledigen.

Wir haben jetzt seit Ostern wieder Ruhe gehabt und Ihr habt doch die Bomben. Es ist eine umgekehrte Welt.

Hier ist es trotz Sonne saukalt. Wir haben beinahe seit Wochen ununterbrochen fast Sturm und nachts friert es immer noch. Ich werde ganz neidisch, wenn ich in Deinem Brief lese “ Godesberg ist grün“. Aber selbst die Holländer sind so etwas nicht gewöhnt.

Lichtschlag war vorgestern in Alkmar in einem Konzert (ich hatte Spätdienst und konnte nicht). Es sang Joe Vincent Lieder von Brahms, Schumann, Debussy usw.   Die Sängerin muss ausgezeichnet gewesen sein, aber was L. Sonst erzählt, ist mehr als erstaunlich. Das Konzert war auf 19 Uhr festgesetzt. Um 19 Uhr war der Saal noch fast leer. Die Sängerin erschien auf dem Podium, was das Publikum nicht davon abhielt, sich gegenseitig laut zu begrüßen, in Gruppen herumzustehen usw. erst nachdem die Sängerin etwa ¼ Stunde unbeachtet auf dem Podium gestanden hatte, trat nachdem sie ihrem Unwillen Luft gemacht hatte, Ruhe ein. Das Konzert begann dauernd gestört durch Nachzügler, die geräuschvoll

ihre Plätze aufsuchten. In der Pause wurd Kaffee serviert und das Einsammeln der Tassen erfolgte während des 2 Konzertteils. So etwas wäre in Deutschland doch unmöglich. Bei uns fordert jedes Kurorchester Ruhe für seine Darbietungen, wie viel mehr dann eine Sängerin von europäischer Klasse.

Heute abend kommt übrigens Hildebrandt wieder. Hoffentlich klappt es.

Wie geht es den kleinen und großen Kranken? Hoffentlich ist alles auf dem Weg der Besserung. Da hast Du und Anneliese ja ordentlich rangemußt, denn 7 Kranke auf einmal ist etwas viel.

Was wir mit Löll (?) anfangen können, weiß ich noch nicht. Juristisch wird nicht viel zu machen sein, weil über die Vertragsbestimmungen noch keine endgültige Einigung zustande gekommen war. Aber Löll begeht m. E. Einen großen Fehler. 1. nimmt das Haus in dem jetzigen (Zustand?) keiner oder die Mieter sind danach (à la Büttgenbach). 2. findet er so schnell niemanden, der zu den notwendigen Reparaturen 400 Mk zuzahlt. Außenreparaturen von einem Mieter zu verlangen, ist ja unsinnig. Wie ist es mit den anderen Ringsdorffleuten? Wann ziehen die aus?

Es grüßt und küsst Dich                   herzlichst   Dein   Harald