Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 29. August 1943

29.8.43

Mein liebes Lottenkind,

Ich habe heute Nachtdienst und habe bisher Briefe an Gott und die Welt geschrieben (8 Stück), so und nun kommst kommt der, auf den ich mich gefreut habe. – Deiner! Ach Lotti, ich zähle die Tage bis ich wieder bei Dir sein kann. Mich hat eine große Interessenlosigkeit gegen alles befallen, was nicht mit Dir und mir zusammenhängt. Ich komme mir manchmal vor, wie ein Primaner, der über seine erste Liebe Schule und Aufgaben vergisst. Dabei gehen aber, das muss ich eingestehen, meine Gedanken oft recht andere Wege als die eines Primaners und sie kennen keine Grenzen. Die Zeit ist eingestürzt über ihnen und sie blühten aus ihren Trümmern sagt Rilke im Kornett und ich begreife jetzt, dass Zeit einstürzen kann. Ebenso einstürzen kann der Raum und einstürzen soll alles, was trennt, Schranken errichten und begrenzen will. Unserer Generation geht es nicht anders als der Kriegsgeneration des vorigen Weltkrieges, wir sprengen alle Gesetze der Bürgerlichkeit

1000 liebe Küsse
Dein Mann.