Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 20. April 1943

den 20.4.43

Liebster Mann!

Eben kam wieder eine Karte von Dir. Bald wird ja auch diese Zeit vorbei sein, und ich kann wieder auf lange Briefe hoffen. Aber trotzdem freue ich mich auch über Karten, besonders, wenn sie eng beschrieben sind. Du erwähnst gar nicht die Abzüge. Ich habe sie Dir vor ungefähr 15 Tagen geschickt, die von Dir und Deinen Kameraden. Es waren für 11,- Mk. und soundsoviel Bilder. Hast Du sie nicht bekommen?

Was tust Du Ostern? Wenn unser Besuch nicht zu den Feiertagen kommt (großzügig, wie sie sind, haben sie noch keinen bestimmten Termin angegeben) werde ich mich gründlich aalen, so es die Sonne zulässt. Wanderung und sowas werde ich mir schenken. Bei so viel Menschen macht die Natur dann auch keinen Spaß mehr und besonders nicht das abendliche Heimfahren. Sonntag allerdings war ich mit den Kindern (Jürgen natürlich ausgenommen) auf dem Rodderberg. Es war ein bezaubernd schöner Tag, und die Kinder hatten viel Spaß. Ich auch. Ich an der Natur, die Kinder am Rumtollen auf den Wiesen, und das durften sie gründlich. Ich hatte sie waschbar angezogen, dafür hoben sie sich auch, als wir abends mit der Bahn nach Hause fuhren, kräftig von den anderen ab, die wunderschön sauber in gestickten und gefältelten Kleidern daher kamen. Aber den schöneren Sonntag haben wohl meine gehabt.

Wir haben im Rodderberghotel jeder eine Brause getrunken, und dann sind wir wieder so schnell wie möglich raus auf die Wiesen (deshalb gehe ich Sonntags auch lieber mit den Kindern als mit den Omis, denn da hätte man den ganzen Nachmittag sitzenderweise im Lokal verbracht. Auf den Wiesen spielten sie dann Pferd, Löwe und Elefant, und Klaus wurde zum Schluss ein Löwenpferd, weil er sich für keins der beiden Viecher entscheiden konnte, und da meinte er, man könne ja so spielen, als ob es eins gäbe. Hinterher sind wir dann auf den Rodderbergturm geklettert und auf dem Rückweg haben wir schon junge Schäfchen gesehen. Es war also

ein wunderschöner Tag. Ich will viel mit den Kindern diesen Sommer ausgehen.

Soeben schreibt Fräulein Fitschen, dass sie es sehr bedauert, aber einverstanden ist, dass Rechtsanwalt Möller die Verwaltung bekommt. Ich habe auch so gedacht, stell Dir bloß vor, durch einen Angriff wird ein Verwaltungshaus beschädigt oder zerstört. Stelle Dir diese Lauferei, die Arbeit, die Eingaben an Ämter, Aufstellung und Gott weiß was vor, und alles das, damit mir nachher die 5,- oder 8 Mk. , die ich für so ein Haus im Monat bekomme, weggenommen werden.

Die Zahl der Toten hat sich jetzt in Friesdorf auf 31 erhöht, heute morgen stehen alle in der Zeitung, eine Familie hat allein elf Tote zu beklagen. Es sind 100 Häuser teils zerstört, teils baufällig geworden, alle in der Kumme und der Klufterstraße. Ich habe noch keinen Godesberger gefunden, der in der Nacht im Keller war, trotzdem man doch naturgemäß mit jedem, den man traf, darüber sprach. Diejenigen, die aufgestanden waren, waren gerade halb angezogen, so schnell nach der Warnung kam der Abwurf, es wäre also auch bei größter Eile keine Möglichkeit gewesen, in den Keller zu gehen. Übrigens gab es nur eine gewaltige Detonation und kein Heulen vorher. Kommt es deshalb, weil es eine Mine war oder weil das Flugzeug so niedrig flog? Omi Hechtle erschien im Hemd unten im Flur und hatte alle Wäsche in der Hand. Ich lege Dir einen Brief von Schwager Hans bei, in dem Du wenigstens etwas über Heidi hörst.

Denk mal, was Frau Wittersheim sich freuen wird, wenn Möller die Verwaltung bekommt. Ich habe sie diesen Monat so getriezt, und Anfang voriger Woche sagte sie mir fest zu, bis Samstag solle das Geld bestimmt da sein. Was natürlich nicht da ist, ist das Geld.

Dass ich Dich anrufen kann, ist sehr schön. Da ich das Geld so oder so loswerde, vertelefoniere ich es lieber, als dass ich es dem Familienunterhalt gebe. Das meinst Du doch wohl auch.

Ostern wird etwas mau. Wir kriegen 2 Eier pro Person und in dieser Woche ¼ (Pfund) Bonbons. Na ja, es ist Krieg.

Viele liebe Küsse,
Deine Lotti