Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 11. Februar 1942

den 11.2.42

Liebster Mann!

Heute kam wieder ein Brief von Dir, und das fand ich sehr schön. Auch die beiden ´Reiche´ habe ich bekommen. Was an mir liegt, so sollst Du, wenn Ihr wieder eine Maschine habt, regelmäßig Post bekommen, und was an Dir liegt, hoffe ich auch sehr für mein Teil.

Heute hatte ich nach Tisch eine Zeit, in der ich einfach nicht weiter konnte. Meinetwegen hätte die Welt einstürzen können, ich hätte sie nicht aufgehalten. Ob ich die Grippe kriege? (mir ist ein bisschen so), oder ob es nur Abspannung war, ich weiß es nicht. Außerdem habe ich ein Geschwür im Genick, das mich ärgert. Darüber kam Anneliese Pütz, um noch was zu holen, und als sie sich umsah und meinte, es sei doch s e h r schön gewesen, habe ich sie kurz entschlossen gefragt, ob sie mir nicht morgens als Putzfrau stundenweise aushelfen wolle, bis ich ein Mädchen habe. Das hat sie mir sofort und strahlend zugesagt. Weißt Du, so kann ich sie dann besser beaufsichtigen, arbeite mit ihr das Schwerste weg und habe sie dann aus dem Haus. Anneliese Degen kann nämlich nur zwei- bis dreimal nachmittags in der Woche. Wenn nämlich das Schwerste an grober Arbeit, Kohlentragen und Spülen geschafft ist, mache ich das andere sehr gerne allein.

Und was meinst Du wohl, wer am frohesten über die Tatsache war? Die Mutter. Sie ist mir um den Hals gefallen, hat mich gekniffen und gedrückt vor Freude und war übermütig wie ein Füllen. Die Begeisterung wird sich ja wohl wieder legen (denn sogar an Anneliese Degens Putzerei hatte sie sehr viel auszusetzen), (sie habe kein Zutrauen dazu, die jungen Dinger könnten alle nichts) aber das ist dann egal.

Ich glaube, dass diese Lösung, bis eine neue Hilfe da ist, die einzig richtige ist. Und wenn Anneliese dann nicht ganz im Hause ist, kann sie nicht soviel wegschnucken, denn vor dem Essen lasse ich sie nach Hause gehen und das übrige schliesse ich ein.

Helgas Zeugnis war doch ganz schön. Befriedigend ist nicht wie früher drei, sondern besser. Heidi strahlt über die Mark, die sie bekommen soll.

Eben war ich noch rasch zu Frau Hillenbrand rumgelaufen. Wir beide haben uns dann noch schöne Bratkartöffelchen gemacht und eine heiße Zitrone, und dann kam leider der Alarm, der seit Deinem Weggang nur einmal gewesen ist, also eine ungewohnte Sache geworden war.

Ach, war es bei Hillenbrands schön warm. Abschließend über diesen und den vorigen kalten Winter muss ich Dir doch sagen, dass ich später unter allen Umständen Heizung haben möchte und wenn ich auf anderes verzichte. Was wir uns in diesem Winter zusammengefroren haben, ist nicht zu beschreiben, und schließlich sind wir doch in einem zivilisierten Haus und nicht irgendwo in Russland, wo man das als Kriegszugabe in Kauf nimmt. Besonders Deine arme Mutter tat mir leid, die doch den ganzen Morgen unten im völlig Kalten saß bei höchstens sechs Grad Wärme, wenn es hoch kam. Ich bewegte mich ja beim Putzen. Ich überlege nur, wie wir es im nächsten Winter machen, denn wenn Dein Vater recht hat mit der Wanderung des Golfstromes, wird es ja wohl nicht viel wärmer werden. Seit drei Wintern meinen wir nun, das sei eine Ausnahme.

Und nun, was des Umräumen betrifft. Glaubst Du, dass der Krieg noch lange dauert, sodass wir unter Umständen alle drei Wohnzimmer ins Parterre legten. Biedermeierzimmer ins Wartezimmer (denn schliesslich, irgendwo müssen wir die Möbel doch unterbringen und wenn das Wartezimmer nur Abstellraum ist, fällt die Benutzung der Veranda fort. Wohnzimmer ins Esszimmer und Esszimmer ins Büro. Die beiden nebeneinanderliegenden Zimmer im ersten Stock würden dann Kinderzimmer.

Ach, vorläufig sind das alles Pläne und Überlegungen. Ich möchte aber eine Lösung haben, die zugleich praktisch und schön ist. Denn auf Schönheit und Behaglichkeit möchte ich nicht zugunsten des nur Nützlichen verzichten. Vielleicht überlegst Du auch von dort aus mit.

Hurra, der Alarm ist aus. Herr Stöwer lacht und meint, das seien Godesberger Alarme. Der Gute kennt bisher nur diese beiden. Und nun gehe ich ins Bett. 11110 Küsse, Deine Lotti

Jetzt, wo ich in zwei Tage zweimal Post bekommen habe, meine ich, jetzt müßte vielmehr jeden Tag welche kommen. Darum freue ich mich schon auf morgen früh.