Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 23./24. März 1942

23./24. März 1942

Mein liebes Lottenkind,

Wieder einmal siehst Du Nutzen aus der Tatsache, daß ich Nachtdienst habe. Es ist ganz schön, mal so ein Stündchen ungestört mit Dir plaudern zu können, denn die Briefe, die ich unter Tag so einschmuggeln kann, sind doch immer arg zerrissen, weil ich dauernd gestört werde und quasi immer unter Druck stehe. Die Maschine macht einen Höllenlärm, den man in der ruhigen Nacht besonders hört. Sie hällt mich aber auch auf diese Weise wach, denn müde bin ich schon.

Ich bekam heute einen lieben Brief von Dir. Du schreibst darin von einem Umlauf und von verbunden werden. Davon hast Du mir noch nichts geschrieben, oder ist ein Brief verloren gegangen? Du schreibst auch garnichts von den Bildern, die ich einem Brief beigelegt. Ist der Brief nicht angekommen? Ich habe in der letzten Nacht mit einer Ausnahme jeden Tag geschrieben, daran kannst Du Dir ja ausrechnen, ob ein Brief nicht angekommen ist.

Die Rationskürzung, von der Du schreibst, habe ich schon aus der Zeitung erfahren. Die Zustände nähern sich doch langsam denen des letzten Krieges. Das Kochen wird immer mehr zum Problem. Unter diesen Umständen dürft Ihr mir aber nichts mehr schicken. Ich komme hier mit meinen Portionen leidlich aus. Aus den Jahren des größten Hungers bin ich auch raus, sodaß ich Euch nicht berauben darf. Die Kürzungen sind natürlich auch bei uns durchgeführt worden, ich glaube aber immer noch, daß wir noch mehr bekommen als Ihr hoffentlich wirst Du nun hier noch einigermaßen verpflegt im Hotel. So gut wie in Husum wird es ja wohl nicht sein können schon aus dem einen Grunde weil hier der Fisch gänzlich fehlt. Vielleicht kannst Du Dir auf Deinen Spaziergängern hier und da ein paar Eier hamstern.

Dabei fällt mir ein, dass (Ernst) Hillenbrand übermorgen fort muß. Da wird sich Frau Hillenbrand wohl noch mehr an Dich anschließen. Behält sie nun die Wohnung bei, oder muss sie ausziehen? Zu ihrer Mutter wird sie ja nicht wollen. Wie gut, daß sie jetzt das Kindchen hat, sonst würde sie jetzt gleich eingezogen. Wir bekamen hier eine junge Frau her, die sofort nach der Hochzeitsreise eintreten mußte. Sie hat den ganzen Tag geheult; sodaß ihr der Oberst gleich 14 Tage Urlaub bewilligte, damit sie Zeit hat, sich zu beruhigen. Mit uns ist man nicht so zartfühlend, sonst hätte ich dem Alten schon längst eine Tasse voll vor geheult. Was tut man nicht alles für 14 Tage. Uns würde man aber 14 Tage wo anders hin stecken.

Daß ich heute schon wieder Nachtdienst habe, hängt schon mit Deinem kommen zusammen, denn ich mache Dienst auf Vorrat, weil mich die Anderen vertreten müssen, wenn Du da bist. Es wäre doch gemein, wenn Du hier wärest und ich Nachtdienst machen müßte. Da hat mich doch eben verdammt eine Stechmücke gestochen. Kaum ist der Frost vorbei, sind die Biester schon da. Denen ist der harte Winter anscheinend nicht schlecht bekommen.

Hier im Fliegerhorst gibt es auch ein Rudel Dammwild. Ich hatte noch nie davon gehört. Gestern stand es plötzlich unter unserem Fenster und ließ sich Brot zu werfen. Unsere Behausung liegt übrigens im Wald. Direkt vor dem Fenster stehen die Kiefernbäume, sodaß wir direkt ins Grüne sehen. Allerdings nimmt er uns auch die Sonne fort. Vielleicht ist das für den Sommer ganz angenehm, denn ich denke noch mit Schrecken an die Temperaturen, die im vergangenen Sommer in unserer Gefechtsbaracke in Bergen herrschten. Was macht der Tommy bei euch? Hier ist er die letzten Tage auffallend ruhig. Er kommt nur mit wenigen aufklären, ohne Bomben zu werfen.

Wenn hier Alarm ist dann geht das Licht zwar nicht aus wird aber

so gedrosselt, daß es nur wie ein sanfter Mond wirkt und man gerade noch so die nötigsten Umrisse erkennen kann. Auf diese Weise werden die schlimmsten Folgen mangelhafter Verdunkelung vermieden. Die Idee ist gar nicht schlecht.

Was Du nun mit der Steuererklärung Weil machen sollst, weiß ich selbst nicht. Am Besten wird es sein, Du schickst eine Abschrift der Jahresabrechnung von 1941 hin, damit die Steuer weiß, was eingegangen ist, und schreibst dazu, daß ich einbezogen sei und die Erklärung erst bei meinem nächsten Urlaub abgeben könne.

Hörmal, sind die Nachträge von den Büchern von Luchterhand eigentlich weiter gekommen, oder hatten wir die abbestellt? Wenn sie weiter gekommen sind, dann schicke mir bitte sofort den Band in dem die Einkommensteuererklärung behandelt wird zu. Ich soll nämlich für den Oberst die Steuererklärung machen und will mich doch nicht blamieren. Aber bitte schnell, schnell. Sollte das Buch nicht auf dem Laufenden sein, dann kaufe bitte eine kleine Broschüre und schicke sie als Brief.

Walter Maiss hat mir heute einen Brief geschrieben. Ich dachte er schwämme in Seeligkeit, daß er den Krieg zu Hause führen kann, aber weit gefehlt. Er ist ja immer so ein bißchen weinerlich gewesen. Er schreibt, die Sorge, daß sein Glück nicht von Bestand sein könne, nähme ihm alle Freude. So is richtig, so muß manns machen!

Daß wir eine Dame gewaltigen Umfangs auf unserem Büro jetzt haben, habe ich Dir schon geschrieben. Die höheren Stäbe werden, wenn der Austausch durchgeführt sein wird, ganz gelungen aussehen. Der Ton auf den Schreibstuben war nun bisher durchaus männlich und soldatische, was besonders auf die Kraftausdrücke zutrifft. Es passiert nun immer wieder, daß die Gegenwart der Dulcinea vergessen wird, und dann steht dann plötzlich irgend so ein Kraftausdruck in seiner vollen Schöne mitten im Zimmer. Das gibt dann immer wie-

der Heiterkeit. Ich bin auch schon ein paar Mal aus der Rolle gefallen. Weiß der Geier, aber manchmal ist so ein Kraftausdruck die einzige Möglichkeit, so einen Hofjungsärger schnell und radikal zu beseitigen. Entweder müssen sich also die Mädels daran gewöhnen, oder wir müssen gesittet werden. Ich bin mal gespannt, wo das rauskommt.

Was machst Du nun im Frühjahr mit dem Garten? Ein bisschen nett muß er ja aussehen. Rede den Kindern ins Gewissen, daß sie die paar Pflanzen in Ruhe lassen. Vielleicht ist es sogar richtig, der Helga oder der Heidi das Ausrechen als Pflicht zu übertragen, dann werden Sie vielleicht eher dafür sorgen, daß die Kindermeute ihn nicht ruiniert. Der Garten muß eigentlich bei gutem Wetter jeden Tag mal durchgerecht werden. Das ist eine Arbeit von 10 Minuten. Die Kinderpflege dürfte sich allerdings nur auf die Wege erstrecken, bei Leibe nicht auf die Blumen, sonst sehe ich schwarz. Sind die Steingartengewächse auf der langen Rabatte angegangen, oder hat sie der harte Winter auf dem Gewissen? Willst Du die Blumenkästen dieses Jahr bepflanzen? Man kann es sehr nett mit Petunien und Kapuziener Presse. Wenn ich erst wieder daheim bin dann soll er ein Schmuckkästchen werden. Jetzt werden bei Euch sicher schon bald die Kirschen blühen, wenn es schon so warm war. Hier waren, glaube ich, 5-6° Wärme das höchste der Gefühle. So nun habe ich mich müdegerattert und werde mich auf meine Coutch legen.

Gute Nacht mein süßes Frauchen. Grüße mir die Omis recht lieb und gibt den Kinderchen einen lieben Kuß vom Papi. Wie mag jetzt der kleine Jürgen aussehen. Sicher hat er sich schon wieder sehr verändert. Kann Biederbick nicht mal von Dir und den Kindern ein paar Aufnahmen machen? Es ist doch ein scheußliches Gefühl, wenn man bedenkt, daß der kleine Matz so gar keine Ahnung hat, daß er einen Pappi hat, und daß er ihn recht misstrauisch mustern wird, wenn er ihn beim nächsten Urlaub sieht.

Dein Harald