Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 7. Juni 1944

den 7.6.44

Mein lieber Mann!

Die Invasion brauchte ja nicht gerade als Geburtstagsgeschenk (das einzige übrigens) kommen. Mein zweiter Gedanke war naturgemäß: Wird nun noch was aus dem Urlaub? Darüber schreibst Du mir hoffentlich recht bald.

Ich habe heute Deinen lieben langen Geburtstagsbrief bekommen. Vom Geburtstag selber ist nichts zu sagen. Es wird sich wohl erst wieder lohnen, wenn Du kommst. Dazu ist es kalt und regnerisch. Wir haben nachmittags Kuchen gegessen und abends Tee mit Plätzchen.

Ich bin heute auch geistig unbeschwingt und weiß nichts Rechtes. Vorläufig warte ich, warte auf den 15., bis ich

etwas Gegenteiliges von Dir höre.

In einer halben Stunde kommt nun der Wehrmachtsbericht, auf den wir sehr warten. Wie wird es werden? Immerhin konnte die Landung an sich nicht verhindert werden, was ich eigentlich doch erhoffte. - Und Deine Annahme, die Vergeltung würde in dem Augenblick der Massierung einsetzen, ist auch nicht eingetroffen. Im Gegenteil, die Zeitungen betonen, dass man mit weiteren Landungen längs der Küste rechnen muss.

Um auf den Urlaub zu kommen: Engels wollen jetzt doch an Wöller verkaufen durch Vermittlung eines Wuppertaler Walther Weyermann, der sich deshalb auch an Dich gewandt hat. Er nimmt die Provision von Wöller und Engels, haben erklärt dass Du die Gage von ihnen bekommst. Das wäre doch auch etwas, was in Deinem Urlaub erledigt werden könnte.

Neben anderem. --

Vorgestern habe ich mit Hilfe der Firma Düren die Salvinischen Sachen verpackt, es war eine Drecksarbeit.

Ich hätte Dich gestern - am Geburtstag - so gerne angerufen, aber die Leitungen waren für den Privatverkehr gesperrt. - Nun warte ich auf meinen Besuch, Toni Hillenbrand, Frau Foegen, Frau Schubert, Fräulein Schäfer. Heute nachmittag war ich bei Frau Umbeek, um mir Noten aus Fräulein Hunscheidts Beständen zu holen. Du glaubst übrigens nicht, wie ich Fräulein Hunscheid vermisse.

Heute war ich mit Ursel zur Schuluntersuchung. Nun ist auch unsere Vierte so weit. Montag wird Helga in der Oberschule geprüft. 200 sind angemeldet, 60 werden angenommen. Die Siebung wird wohl sehr streng sein. ----

Eben, 0,15 Uhr, wie der Drahtfunk meldet, der zugleich Vollalarm ankündet, sind alle nach Hause gegangen. Es war sehr nett, und unsere Zimmer haben sich wieder in

ihrem vollen Glanz gezeigt. Nun jagt alles nach Hause, weil die Sirenen tönen, und dabei gießt es rauschend vom Himmel hoch.

den 8.6.44

Endlich muss der Brief ja fort. Das Wetter wird immer schlechter, und die Kinder habe ich hübsch geohrfeigt. Es scheint für die kein schöneres Spiel als in Pfützen zu geben. Ulla kam mit nassen Schuhen und Strümpfen bis zum Knie!!! nach Hause, und Jürgen hatte sogar beides ausgezogen und hatte dazu einen klatschnassen Hosenboden. Lisbeth ist verzweifelt.

Nun ist es wieder halb elf. Gestern nacht sind in Köln wieder sehr viele Bomben gefallen. Die Fensterflügel im Wohnzimmer bebten vom Luftdruck in meiner Hand hin und her. Irgendwie stellt sich der Körper auf das allnächtliche Wachsein ein. Es gab seit Deinem Weggang doch höchstens fünf alarmfreie Nächte. Man hat so eine ständige Schwäche in Armen und Beinen wie nach einer Krankheit, aber nicht mehr das Bedürfnis, Schlaf nachzuholen.

Viele liebe Küsse, Deine Lotti