Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 24. Februar 1945

den 24.2.45

Lieber Mann!

Wenn man ja so nachts das irrsinnige Trommelfeuer hört, kriegt man ja doch Zweifel, ob man auf die Dauer hierbleiben darf. Und es ist näher gekommen. Aber trotzdem mache ich keine Pläne. Ich lasse die Sache auf mich zukommen. Nun fange ich schon an, die schönen Zigaretten gegen Salz einzutauschen. Es ist sonst nicht daranzukommen. Unser Salz soll mit dem LKW aus Duisburg geholt werden (wenn es nicht vorgestern dort verbrannt ist), und der Fahrer holt es nicht. Nun würden wir schon zwei Wochen vertröstet und müssen noch mindestens eine Woche warten. Dabei bekomme ich ein Pfund pro Monat.

Herr Schött zieht jetzt in seine Zimmer ein.

Weniger schöne Zugabe ist, dass sich Fräulein Wolf bei ihm unentbehrlich macht und so jetzt in unserem Haushalt mit rumpfuscht: "Lisbeth, klopfen Sie bis Montag den Teppich für Herrn Schött.“ Lisbeth weigert sich natürlich, denn erstens ist er riesig, zweitens total verdreckt durch den Terrorangriff in Köln, und drittens hat sie nicht vor, ebenfalls Mädchen bei Herrn Schött zu werden. Er hat einen total verrosteten Herd. Lisbeth könnte den mit Ziegelsteinen wieder blank machen usw. Ich habe die Ecke unter der Treppe im Keller abgetreten, damit er da was stapeln kann. Er kam aber mit einem Möbelwagen, und nun steht alles voll, Trockenkeller, Kohlenkeller, Vorratskeller, Luftschutzkeller, Büro. Fräulein Wolf räumte ein und sagte immer: "Das stört Endemanns nicht". Herr Schött war sofort

am anderen Tage verreist und kommt nächste Woche wieder. Wir wollen ihm aber sagen, dass wir nicht dauernd die Zugabe Wolf haben wollen. Abgesehen davon, dass sie immer unverschämter wird: "Merkwürdig, trotz des sechsten Kriegsjahres sehen Sie und das Personal immer besser aus, und die Kinder werden immer spitzer und elender. Woran mag das liegen?!!“ Da bin ich ihr aber die Antwort nicht schuldig geblieben. Und die Kinder sehen gut aus. Es ist ja so bodenlos, was sie mir als Mutter damit in die Schuhe schiebt, dass man nicht weiß, ob man lachen oder heulen soll. Nach Mutters Tod war ich sie nun glücklich los, und nun habe ich sie wieder, das Biest. Mutter war ja immer auf solche Sachen reingefallen.

Meine beiden Jungs haben den Landkartenfimmel. Jürgen liegt auf dem Teppich

und sucht auf der Karte von Russland das Steinhuder Meer. Klaus kann ja lesen und geht vernünftig damit um. Er sucht an der Ostfront immer die Namen, die der Wehrmachtsbericht nennt.

Herr Tenter muss in vierzehn Tagen nach Berlin. Ich gebe ihm auch Post für Dich mit. Er ist jetzt auch bei der Luftwaffe.

Viele Liebe Küsse. Deine Lotti

Es handelte sich um einen zwangseingewiesenen Mieter, ein nicht unvermögender Rentier aus Köln, Dort war er ausgebombt und blieb als Mieter bis zu seinem Tode in den 50er Jahren