Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 2. August 1942

den 2.8.42

Liebster Mann!

Heute ist ein ziemlich ereignisloser, durch ein Gewitter verregneter Sonntagnachmittag. Alarm ist auch, und die Kinder sind wie immer bei solchem Wetter ungezogen. Besonders Helga ist mal wieder in der Stimmung, an allen Vorschlägen zum Spielen etwas auszusetzen. Was soll ich dann Besseres tun, als mich mit Dir zu unterhalten? Ich weiss zwar ga nicht viel.

Gestern traf ich Ilse Düren, die vor ein paar Tagen aus Duisburg gekommen ist. Ihrem Haus gegenüber ist ein Volltreffer eingeschlagen und hat auch ihre Wohnung ziemlich mitgenommen. Dienstag kommt Theo nun in Genesungsurlaub, und zwar nach Godesberg, weil es in Duisburg ja nicht geht. Vielleicht ist es nun doch möglich, dass ihr beide Euch seht.

Übrigens ist Ilses Koffer auch nicht angekommen, und sie hatte ihre besten Sachen drin und die von Günther ebenfalls. Sie hatte ihn vor neun Wochen aufgegeben. - Es wäre doch scheußlich, wenn mein Koffer weg wäre. Immerhin hatte ich meine besten Sachen drin und vier Paar Schuhe, abgesehen von allem anderen. Wenn ich wirklich Geldersatz bekäme, könnte ich damit ja doch nichts anfangen. Vorläufig laufe ich in meinen alten Hauskleidern herum, auch wenn ich in die Stadt gehe. Aber schließlich, was soll ich mich groß aufregen, wenn er weg wäre.

Man lebt hier so unter dem Eindruck der dauernden Alarme, dass man sich doch, wenn Godesberg auch nicht gerade zu den gefährdeten Orten gehört, darauf einstellt, von einem Tag zum anderen plötzlich mehr zu verlieren. Die nächtlichen Alarme sind augenblicklich nicht so häufig wie voriges Jahr. Wir hatten seit meiner Rückkehr erst drei Stück, aber dafür scheint es diesen Sommer von jetzt an täglich mehrmals welche zu geben.

Wenn ich nun das Schreiben von Bahn morgen bekommen würde, schicke ich es evtl. zu Carels mit der Post und Du kannst es von dort holen oder Lichtschlag bringt es Dir mit. Das geht schneller, denn ich glaube, ein Brief von mir zu Dir dauert immer noch seine fünf Tage.

Eben werden hier in der Straße Kohlen abgeladen, trotzdem Sonntagnachmittag ist. Alles wird immer kriegsmäßiger.

Ach, Harald, wann kommt wohl die Zeit, in der wir immer wieder zusammen sind? Und in der wir zusammen wieder aufbauen können? Augenblicklich kann man ja nur erhalten, aber auf das Neuanschaffen freue ich mich auch schon wieder.

Und nun kommt der Brief in den Kasten. Sehr erschütternd war er ja nicht, aber Du hast an einem Tag wenigstens Post gehabt, Und ich habe mit Dir gesprochen.

Deine Lotti

Herr Rechtsanwalt Möller erinnert heute an die Beantwortung des Schreibens betr. Banting.