Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 7. März 1942

den 7.3.42

Lieber Mann!

Jürgen war heute abend wieder sehr vergnügt, nachdem er den Tag über noch völlig apathisch dagelegen hatte. Er war zu nichts zu bewegen gewesen, weder zum Essen, Trinken oder sonst was, und wenn ich ihn auf den Arm nahm, hing er richtig leblos darin. Heute abend dann tat er völlig unmotiviert die Finger aus dem Mund, stand auf und kletterte am Bett hoch, und damit war er wieder der alte. Er ist ja tüchtig verbrannt, fast so wie Klaus. Ich stehe immer bloß ratlos davor, wie einer so schmerzunempfindlich, sein kann, denn er hat noch nicht mal eine Treupelsche Tablette bekommen, und die Apathie gestern und heute war auf das hohe Fieber zurückzuführen. Ich habe den Jungen nicht einmal wimmern hören. Womit erklärst Du Dir eine solche Schmerzunempfindlichkeit? Klaus autscht ja wegen jedem Stecknadelpiks. Den Abendbrei wollte er aber nicht, und aus Versehen ließ ich ihn stehen und dann hat er sich allein darüber hergemacht. Wunderbar richtig, jeder Löffel ist in den Mund geraten. Er ist ein süßer kleiner Frosch,

Ärzte werden langsam ein Problem. Dr. Schreiber, Dr. Lorenz, Dr. Pies, Dr. Großkopf sind auch eingezogen, und Schampel steht auf dem Aussterbeetat.

Heute war ich in einem Film: ´Menschen im Sturm´ mit Olga Tschechowa, Gustav Diesel und Siegfried Breuer. Letzterer ist übrigens sehr beachtenswert in seinen Leistungen und taucht immer öfter auf. Sieh Dir den Film an. Es ist gute Unterhaltung. Kriegsausbruch zwischen Jugoslawien und Deutschland, Konflikt zwischen deutscher Frau und jugoslawischem Mann. Ich muß schließen.

Viele liebe Küsse. Deine Lotti