Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 12. März 1941

den 12.3.41

Mein lieber Mann!

Das Wetter ist heute wundervoll, gerade so, wie wir es uns immer gewünscht hatten. Anneliese hat ihren ersten freien Nachmittag nach langer Zeit, und ich bin nach Tisch mit den drei Großen spazieren gegangen. Es war wunderschön, aber teilweise aufregend.

Zuerst wollten alle drei ihre Mutti breitschlagen zu etwas Besonderem, Eis oder draußen Kaffee trinken. Dann gab es in der Goethestraße lange Gesichter, wie Mutti zu allem nein sagte, und Helga wollte bocken.

Zum Glück war dann in der Denglerstraße auf einem Villendach ein Schornsteinfeger zu sehen, und von da an war eitel Freude. Wir sind dann durch die Ubierstraße und Steinstraße raus ins Feld gegangen bis halbwegs Bonn. Hasen haben wir keine gesehen, aber ein großer Schwarm Krähen saß auf einem Feld, an den wir uns ranschlichen. Ich musste dann in die Hände klatschen, und die Begeisterung der drei hättest Du sehen sollen, als sie losrauschten.

Wir haben dann auch von Pappi gesprochen und was er jetzt wohl tun mag. Dann sind wir übers Hochkreuz zurückgegangen und haben uns von Pfeifers Brötchen mitgebracht. Die wiederum erinnerten mich an die Zeit, als ich noch zu Hause war und Tante Grete den Kaffeetisch nachmittags so schön auf der Terrasse oder im Garten deckte. Der Nachmitagskaffee war für Tante Grete immer eine wichtige und gemütliche Angelegenheit.

Ich lege Dir einen Brief von Helga bei. Ich habe heute allen die Haare schneiden lassen. Gestern missglückte der Vorsatz, weil es bei Beckermeyers zu voll war.

Ich habe heute morgen das Päckchen mit Deinem Rasierzeug und Seife an Dich abgeschickt. Die Taschentücher folgen nach.

Eigentlich sollte dieser Brief nun um acht in Kasten sein, aber das gelang mir nicht. Die Fünfe halten einen in Atem. Klaus hat uns auch in Aufregung versetzt. Er war seit fünf Uhr verschwunden, keiner wusste wohin, und Ursel wiederholte immer nur, der ´Andere´ hätte ihn mit dem Rad mitgenommen', mehr bekamen wir nicht aus ihr heraus. Wir hatten tüchtige Angst, besonders, als es sieben Uhr wurde. Dann tauchte er wieder auf. Der 'Andere' war Kunito Schubert. Und Klaus sagte: "Mutti, der Kunito ist doch ein sehr dummer Junge. Der weiß noch nicht, dass Spinat Gemüse ist. Immer ist er rumgefahren und hat einen Mann gesucht und sagte, das sei der Spinat". (Kunito meinte den Spediteur Spinat).

Im übrigen sträuben sich mir die Haare, wenn ich überlege, wo ich nun wieder anfangen soll. Anneliese hat ihre Sache gut gemacht, aber es ist doch sehr viel lie-

gengeblieben. Auf der Couch türmt sich ein Riesenberg von Stopferei auf, das gleich bearbeitet wird.

Wittkuhn habe ich auch bestellt. Das Klo wird doch gemacht, das zahlt die Mutter. Dann haben wir vorerst zwei Jahre Ruhe. Es wird nur der Sockel gemacht. Und die Küche wird gestrichen. Das werde ich machen. Die Türen können nicht gemacht werden, weil alles, was nicht dringend notwendig ist an Arbeiten, nicht gemacht werden darf, und Türen schon mal gar nicht.

Und nun gute Nacht für heute. Es ist doch gut, dass ich von so viel Arbeit in Anspruch genommen bin und so viel Pläne im Kopf habe, was alles getan werden muss. Wenn ich zu viel Zeit hätte, wäre ich zu traurig, dass ich wieder allein bin. Aber heute abend werde ich an Dich denken.
Deine Lotti.

Schreib auch Pufens und grüße sie von mir. Und Hans Banthien (Großgiesen Post Saarstedt bei Hannover)