Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 5. März 1942

den 5.3.42

Lieber, liebster Mann!

Heute kamen wieder zwei Briefe. Und ich Kamel habe den Brief an Dich gestern in Gedanken noch mit der alten Feldpostnummer beschriftet. Aber wenn Ernst Hillebrand ihn doch aus dem Sack holt, ist es ja gut.

Weißt Du, Sorgen brauchst Du nicht zu haben. Wir krabbeln uns schon durch alles durch, und Du weißt ja auch, dass ich schließlich mit allem fertig werde. Was ich gebrauchen könnte, das wäre, so richtig von Dir geeit und gestreichelt zu werden und ein bisschen verwöhnt zu werden und mich auf Deinen Schoß zu setzen und von Dir liebgehalten zu werden. Und mit den Abzahlungen wird das auch werden. Die Geldknappheit geht weniger an die Nerven als die ewige Sorge, es könnte was passieren.. Aber die Mu hat sich heute sofort bereit erklärt, uns zu helfen, ich weiss blos noch nicht, ob ich es überhaupt noch brauche.

Heute ist es wieder eklig kalt. Du schreibst so nett, ob die Primeln und die Stiefmütterchen schon kommen. Hast Du eine Ahnung. Vorläufig liegt auf den Straßen, soweit sie noch nicht mit Pickeln losgehackt ist, eine Eisdecke von ca. 20 cm Dicke. Bürgersteig und Fahrdamm bilden eine gleichmäßige, glatte Fläche, und es gibt kein Rauf und Runter. Hinter dem Haus liegt der verharschte Schnee vorläufig noch 20 bis 40 (cm) ca. Ein Mülleimer war so verschwunden gewesen, dass man noch nicht merkte, wo er überhaupt stand. Wenn man die Dürenstraße rauf geht, läuft man zwischen Schneewällen. Wie dieser viele Schnee überhaupt nochmal verschwinden will, ist allen eine Frage. Aber schließlich muss er ja bei Wärme doch mal weg.

Auf den Rum freue ich mich schon. Und die Mu ist beruhigend wie Rum. Sie findet alles schön, nicht in einer verkrampften Art, sondern ist überzeugt davon, dass wir es besonders gut, gemütlich und in Bezug auf Essen besser wie andere haben. Das gibt dem ganzen Arbeiten jetzt wieder die behagliche, vorwärts treibende Stimmung, die ich brauche.

Verschicken kann ich die Kleinen nicht. Wir hatten schon daran gedacht, aber unter sechs Jahren werden sie nur mit Müttern verschickt, und dann muss man sich mindestens für ein Vierteljahr binden, und was soll aus den anderen werden? Glaubst Du, dass wir besondere Angst vor Alarm im Frühjahr haben müssen? Hier machen sich die Leute gegenseitig Angst damit.

Ursel musste heute ins Bett mit Fieber und heftigen Ohrenschmerzen, und Jürgen hat sich die linke Hüfte und den Bauch, scheinbar mit heißem Wasser, verbrannt. Als ich ihm heute das Nachthemdchen anziehen wollte, wurde mir förmlich flau vor Schreck, als ich die Bescherung und die großen Brandblasen sah. Dieser Stoiker hatte sich aber gar nicht auffällig benommen, so dass man gar nicht auf die Idee kam, dass ihm etwas fehlte. Er war wohl am Nachmittag etwas wehleidig, und als ich ihn auf den Arm nahm, mauzte er ein bisschen und legte den Kopf an, um sofort wieder zurückzuschnellen und in seinem alten Ton zu kauderwelschen und zu lachen. Helga musste dann sofort Brandsalbe holen, aber auch beim Verbinden machte er nicht viel Theater,

legte sich dann im Bettchen hin wie immer und kauderwelschte wieder los.

Das große Rätsel ist bloß, wo hat er sich so verbrannt. Wir haben eben nochmal alle Möglichkeiten konstruiert und kommen nicht dahinter. Und das Verblüffende ist eben, dass er so gar kein Aufhebens von der Sache macht. Er ist enorm unempfindlich gegen Schmerzen oder hat jedenfalls die Gabe mitbekommen, sie sofort ad acta zu tun. Er ist ja wonnig, und wenn er Mutti schreit, ist er unwiderstehlich für mich. Und dann kann er trillern wie ein Kanarienvogel trrrrrrrrrrr, und da er gemerkt hat, dass wir alle loslachen, trillert er jetzt in allen Tonarten los, wenn sein Höschen voll ist und ich mit ihm schimpfe.

Ich verziehe mich ins Bett. Es ist bald 11 und ich vermute,, dass Ursel mich ein paarmal die Nacht rausholt.

Rechtsanwalt Möller meint, ich könne Provision für die beiden Vermietungen verlangen. Er hat mich extra deswegen angerufen und sagt, er hätte deshalb besonderen Wert darauf gelegt, dass ich bei dem Abschluss der Verträge dabei gewesen wäre. Ich bin etwas unsicher dabei, denn schliesslich und endlich habe ich mich doch um diese beiden Mieter in keiner Weise bemühen brauchen.

Hattest Du damals an Weil geschrieben wegen der Verbuchung der 500.- Mk.? Ich meine er hatte damals geschrieben „Dein Einverständnis voraussetzend“.

111111000000000 Küsse.   Din Lött.

Ich möchte bei Dir sein.