Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 5. Februar 1943

5.2.43

Mein liebes, süßes Lottenkind,

Eben bekomme ich Deinen lieben Brief vom 31. . Du glaubst garnicht, wie ich mich gefreut habe. Wenn auch der Inhalt, wie könnte es anders sein, sehr ernst ist, so ist es doch ein Lebenszeichen, nach dem ich mich so brennend gesehnt habe. Hab vielen Dank dafür! Dass ich mich im Bezug auf die Schreiberei gebessert habe, hast Du inzwischen sicher schon gemerkt. Ich habe heute Abend nun etwas Zeit und werde hoffentlich nicht gestört und will mit Dir erzählen und einiges besprechen. Der Aufsatz von Helga hat mir große Freude gemacht. Es ist einfach erstaunlich. Man spürt menschliches Mitgehen aus den Zeilen heraus. Gib ihr doch zur Vertiefung des Wissens etwas von oder über Ernst Moritz Arndt zu lesen und wenn Du wieder Anfänge findest, dann vertiefen das Wissen, wo Du kannst. Zeige ihr vielleicht mal auf dem Bonner Friedhof die Gräber und das E. M.-Arndt-Haus. Oder gehe mal mit ihr zur Arndtruhe. Ich bin ganz stolz und möchte am liebsten alles selber tun. Von der Insel Rügen kann man ihr sicher eine Vorstellung vermitteln, wenn man sie an ihren Dievenower Aufenthalt erinnert. Dann zeigt man es ihr auf der Karte und auch Dievenow und vielleicht finden sich auch Bilder von Stubbenkammer.

Daß Herr Hillenbrandt in Stalingrad dabei war hat mich mit Schrecken erfüllt. Was mag der Ärmste durchlebt haben. Die Sorge von Frau Hillenbrand ist nur zu begreiflich. Stehe ihr so viel wie irgend möglich bei. Es ist schrecklich, den Mann so zu verlieren und wenn er auch gleich als Held gefeiert wird. Von Theo schreibe mir bitte sofort die Feldpostnummer. Ich wähnte ihn im friedlichen Pilsen. Ob in meinem Brief dort überhaupt noch erreicht hat? Wann ist er denn weggekommen? Hoffentlich kommt er durch und verfällt nicht auch dem schrecklichen Moloch Russland.

Die Schilder im Keller magst Du verkaufen vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, sie einem Schlosser der die T-Eisen gebrauchen kann zu verkaufen, da bekommst du sicher mehr als beim Althändler. Zur Geldbeschaffung schlage ich noch vor die 2 Badeöfen im Keller sauber zu machen. Probiere mal mit verdünnter Schwefelsäure das Kupfer blank zu bekommen. Wenn es gelingt gut abwaschen trocknen und gleich dünn einfetten. Es findet sich sicher noch dies und jenes, was heute verkäuflich ist. Vielleicht ein Kinderbett. Heute wird für den größten Mist erstaunliches bezahlt, wenn man es nur ein bisschen ansehnlich hergerichtet.

Für Lisbeth braucht ihr keine Angst zu haben, wenn etwas geschehen sollte, schlage ich durch meine Dienststelle Krach. Sie ist wirklich nicht entbehrlich. Was hat denn der Onkel Doktor gesagt. Es wäre mir lieb, wenn mal eine Blutsenkung von Dir gemacht würde. Vielleicht sagst Du ihm auch, dass Du bei der Periode immer so viel Blut verlierst und das sie so lange dauert. Schreibe mir dann mal bitte, was er gesagt und verordnet hat.

Lotting, hier ist der Winter auch recht milde. Der Schnee ist kurz nach meinem Kommen geschmolzen. Es war zwar noch hier und da kalt, aber das ist es auch schon nicht mehr. Hier waren nun vorgestern und gestern ein ganz ordentlicher Sturm, der teilweise die Baracken abgedeckt hat. Unsere Geschäftsbaracke auch. Wir mussten alles schleunigst in Sicherheit bringen vor dem Regen. Dann habe ich noch eine Bitte. Versuche mal den Kindern spielerisch das Tragen der Gasmaske beizubringen, dass sie die Angst verlieren und lernen unter der Gasmaske zu atmen. Wer weiß was noch alles kommt. Im totalen Krieg muss mit allem gerechnet werden, wenn ich auch hoffe, dass die Vorsichtsmaßregeln überflüssig ist. Für die

Kleinen müssen wohl auch noch welche besorgt werden. Ebenso für Mutter. Vielleicht, fällt mir gerade ein, können wir auch Bücher, die wir doppelt haben, oder die wir nicht besonders leiden können verkaufen. Sonst vergammeln sie (ich denke an die doppelte Ausgabe von Reuter) Stelle mal alles zusammen und gib es Spinat (=lokaler Geschäftsmann) zu irgend einer Versteigerung.

Heute ist die Canisius wiedergekommen (sie war 14 Tage krank), ich hoffe nun, dass ich jetzt etwas entlastet werden kann. Hohle tut nichts mehr. Er betreibt nur noch seine Versetzung zu Muttern. Ich bin mal gespannt, wie das ausgeht. Ich will aber unter allen Umständen vorher auch zu einem Erholungslehrgang.

Rech ist gestern Abend in Urlaub gefahren und ist heute in Bonn bei Anita Blume. Max ist inzwischen wieder ins Feld. So geht es im Leben.

So nun küsse ich Dich 1000mal mein süßes, liebes Lottenkind   Dein Harald.

 

Ich hatte in meinen Urlaub mein Notizbuch mit den Anschriften mitgebracht ebenso das von Vater mit den Geburtstagen. Wenn Du sie findest schicke sie mir bitte.
H.