Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 17. März 1942

den 17.3.42

Lieber Mann!

eben kam ein löblicherweise schreibmaschinengeschriebener und darum langer Brief von Dir, und ich schreibe sofort, gesättigt von Kaffee, Brötchen und Apfelkraut, damit der Brief noch um sechs in den Kasten kommt. Gestern bist Du nämlich zu kurz gekommen, und dann packt mich jedes Mal die leise Angst, dass Du Dich an dem Tag, an dem Du keine Post bekommst, doch hoffentlich nicht revanchierst, und ich dann so und so viel Tage später ebenfalls ohne Post dasitze. Aber seit es wärmer wird, nehme ich mir jeden Tag eine zusätzliche Arbeit vor, gestern war es der Speicher, damit, wenn die neue Donna kommt, das Haus wenigstens in Schuss ist.

Gestern war ein prächtig warmer Tag (24 Grad im Schatten, 32 in der Sonne, ich hatte das Thermometer rausgetan) und die Kinder waren den ganzen Tag draußen. Solch ein Tag ist ja nun eine Seltenheit, und heute ist das Wetter ja auch wieder anders, aber die schlimme Zeit ist eben vorbei. Leider kommen meine vier Lieben wie die Pottneger nach Hause, besonders Heidi sah unmöglich aus, sodass ich am Schlusse des immerhin arbeitsreichen Tages alle baden und Stiefel waschen und derlei schöne Sachen machen musste. Auf der Pädawiese war ein großer Schlammteich, und so sahen sie aus.

Dass Du nun abends einen so hübschen Aufenthaltsraum hast, freut mich. Das Buch Generäle, Geishas usw. kenne ich auch. Von dem Verfasser gibt es noch: Prärien, Pelzjäger und. Präsidenten (Amerika) und Kopfjäger, Korallen und Kokosnüsse (Südsee und Australien). Unterhaltend geschrieben von Richard Katz.

Und dass Du für Din armen Lött was in das Paket getan hast, freut mich auch, und ich bin schrecklich neugierig und werde jetzt jeden Tag auf die Paketpost aufpassen müssen.

Na ja, und heute habe ich zwei Stunden lang an dem dicken Eis auf den Steinen hinter dem Haus rumgehackt mit dem Beil, und jetzt ist das Stück wenigstens eisfrei. Ich konnte es aber auch wirklich nicht mehr sehen, und da wir vor und hinter dem Haus wenig Sonne haben, waren wir noch die einzigen, die dickes Eis aufzuweisen hatten Überall ist es weggeschippt bis auf die dicken Schneehügel am Straßenrand.

Die Mu hat einen schlimmen Finger und musste gestern von Dr. Schampel geschnitten werden. In der Hilfe fällt sie also mal wieder aus. Deine Mutter war auch bei Dr. Schampel. Sie hat 210 Blutdruck, und ich finde, sie sollte sich mehr schonen. Aber wenn wir das neue Mädchen haben, kann sie es ja auch.

Eben ziehen die Blitzmädels unter Gesang vorbei. Ihr Unterricht ist für heute vorbei. Sie singen immer das Lied von der Ursula Marie, und Ursel ist außer sich darüber, dass sie so einfach ihren Namen klauen, wie sie sagt, und sie will, dass Herr Stöwer hinter ihnen herläuft und ihnen das verbietet. „Denk mal, sagt sie, was die für freche Wörter singen, Ursula Marie“ und dann muss ich mich auch schrecklich entrüsten

Gewöhnst Du Dich langsam ein? Und sind auch ein paar nettere unter den neuen "Kameraden“? Aus ist der Brief. Ich muss weiter im Text.

Ich küsse Dich recht leib und habe Dich recht lieb. Din Lött