Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 8. März 1942

den 8.3.42

Liebster Mann

Eben kam der Brief, in dem Du von dem kameradschaftlichen Verhalten der anderen Soldaten sprichst. Es ist ja eine Gemeinheit, so anderen Kameraden gegenüber zu handeln, die neu hinzukommen. Das hatte ich übrigens auch schon unserem Herrn Stöwer gesagt, der das voll Stolz auf diese Heldentat von seiner Gruppe hier erzählte. Diese Ausbilder sollen nämlich abgelöst werden, und weil ihnen das nicht passt, machen sie jeden Neuling systematisch kaputt. Kannst Du Dir nicht den Gutmütigsten unter ihnen einmal herkriegen und ihm das Schäbige klarmachen und ihm klar und deutlich sagen, dass Du merkst, warum sie so sind?

Und wenn das nicht hilft, musst Du eben die Zähne zusammenbeißen und Dich wenigstens innerlich von diesem Pack absondern. Denn Pack ist doch das meiste, was so rumläuft, und die Niedrigkeit der Denkungsweise ist ziemlich allgemein, und deshalb (ich habe ja durch meine Mädchen schließlich auch Erfahrungen) muss man trotz aller Volksgemeinschaft Pack als Pack behandeln du dann parieren sie zum Schluss.

Kannst Du nicht an Georg Endemann schreiben? Münster wäre dann doch auch nicht mehr weit von Godesberg und ich wäre schnell mal da.

Und wenn es zu doll kommt, kannst Du mich nicht mal abends anrufen. Und ist es nicht möglich, dass der Major Dich wieder zurücknimmt?

Zigaretten kann ich Dir leider nicht schicken. Ich bekomme höchstens fünf die Woche und die augenblicklich auch nicht, weil ich erst eine neue Raucherkarte beantragen muss. Mutter und ich haben unsere, besser Heidi hat sie verloren.

Ich habe Anspruch darauf, jeden zweiten Tag zwei oder drei zu bekommen, aber jag' da mal hinterher. Und Biederbick ist selbstherrlich, der gibt nur jeden Freitag an jeden Kunden fünf Stück ab. Angeblich hat er sonst keine, unangeblich besitzt er sogar große Astrapackungen, denn wir sollen demnächst Büchsenmilch zugeteilt bekommen (kinderreich), und da meinte Frau Biederbick, wenn ich ihr meine Büchsenmilch überlassen würde, gäbe sie mir große Packungen Astra. Aber die Büchsenmilch ist auch wichtig für alle Fälle, denn mir ist es in den letzten vierzehn Tagen schon zweimal passiert, dass Hoffmann überhaupt keine Milch liefern konnte, weil sie nicht in Ordnung war. Sobald ich aber irgendwelche Zigaretten bekomm (auf die Karte von der Mu) und wenn es drei Stück sind, schicke ich sie Dir.

nachmittags

Beide Omis sind im Film, Ich warte mit dem Kaffee auf sie, und währenddessen spielt mir Pembaur etwas. Es ist übrigens wunderbar, dass das Rundfunkprogramm so geändert ist, dass die Reichssender leichte Musik bringen und der Deutschlandsender anspruchsvolle. Denn man konnte den Quatsch zuletzt nicht mehr hören, und so gerne ich von Zeit zu Zeit Tonfilmschlager höre, so hat die Masse auch die Langeweile. Goebbels sagte ja auch, dass ihm auf die Mitteilung der Programmänderung Unmassen dankbarer Briefe zugegangen sind.

Der Umzug nimmt immer handfestere Formen an. Ich muss mich nur morgen erkundigen, ob ich überhaupt Leute für das Aufhängen der Gardinen bekomme und ob der Rundfunkapparat runtergelegt werden kann.

Ein Mädchen ist vielleicht auch in Aussicht. Das Arbeitsamt hat mir die Adresse einer Holländerin gegeben aus Nijmwegen. Ich habe dorthin geschrieben, und gestern erhielt ich den Bescheid, dass sie sehr gerne komme in einem köstlichen Deutsch. Der Brief macht einen sehr guten Eindruck, nur bin ich mir nicht klar, ob es eine Hausangestellte oder ein gebildetes Mädchen ist. Ich hatte ihr geschrieben, dass das Arbeitsamt mir mitteilte, sie wolle eine Stelle in Bonn oder Godesberg annehmen, ich suche jemand, der mich in der Hausarbeit und in der Pflege der Kinder unterstütze. Der Lohn richte sich nach den Vorschriften des Arbeitsamtes, da sind jetzt nämlich für jedes Alter und jede Vorkenntnisse genaue Vorschriften herausgekommen, die man, wenn man nicht schwer bestraft werden will, befolgen muss. Nur kümmern sich die Hausfrauen immer noch nicht drum, was man so hört. Und ich habe außer dem Namen überhaupt keine Ahnung. Da ich fünf Kinder habe, bekäme sie die Genehmigung des dortigen Arbeitsamtes. Leider schröpft mich das Arbeitsamt, wenn es etwas wird um 8,50 Mk. für die Einstellung einer Ausländerin, und den Transport muss ich natürlich auch zahlen.

Der Umzug wird nun ungefähr nach Deinem Vorschlag gemacht. Büro wird Wohnzimmer. Den großen Schrank lassen wir drin als Geschirrschrank. Wartezimmer = Biedermeierzimmer (leider stört mich die Tapete). Esszimmer = Wohnzimmer. Biedermeierzimmer= Schlafzimmer der drei Kleinen, Wohnzimmer = Elternschlafzimmer. Die beiden Großen schlafen oben, weil Mutter ihr Wohnzimmer behalten möchte. Das ist auch nicht so schlimm, weil die ja allein ins Bett gehen und auch ihr Zimmer allein aufräumen können, bis aufs Putzen.

Aber wie kann ich Dir helfe? Münster wäre vielleicht das Beste, weil der vielleicht persönliches Interesse an Dir hat. Morgen folgt Fortsetzung, Din Lött