Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 2. November 1942

den 2.11.42

Liebster Mann,

es ist die ruhige Stunde vor dem Nachrichtendienst für mich,, die Stunde, in der ich sogar ungestört von den Omis in meinem Wohnzimmer sitze und in der ich also wirklich ungestört schreiben kann (hoffentlich).

Ich habe heute Deinen Brief mit der Abschrift des Hauptmannbriefes bekommen.. Ich bin nun gespannt, ob ich den Unterhalt kriege.

Ach, Pappi, ich glaube, schriftlich missversteht man sich oft mal. Sieh mal, die Briefe waren aus einer schrecklichen Aufregung heraus verfasst, in der sich Aufregung, Sorge, was aus dem Lebensunterhalt wird und Ärger über den ganzen Kram mischten. Das letztere ist ja auch verständlich, denn dass dieses Durcheinander mit dem Landratsamt kommt, hat ja letzten Endes alles noch dieselbe Wurzel von früher und ich müsste ja geradezu ein Überlamm sein, wenn ich nicht auch zwischendurch gehörig manchmal die Wut darüber kriegte. Aber das hat alles nichts damit zu tun, dass wir Beide zusammengehören und das tun wir nun mal. Und dass Du in mir einen Menschen hast, der jederzeit da ist, wenn Du ihn brauchst und der Dich liebt und der auch nicht wankelmütig ist, auch wenn er mal schimpft, das musst Du Dir auch sagen, wenn mal solche Briefe kommen oder wenn aus Zeitmangel mal kein Brief kommt. Vielleicht habe ich Deinen Brief auch anders aufgefasst, als Du ihn meintest, das ging mir heute auf, als Du wieder schriebst. „Auf Deine beiden letzten Briefe kann ich nicht näher eingehen, Harald, Peng!! Dachtest Du, ich wollte nichts mehr von Dir wissen (so klingt es heute) oder war meine Meinung die richtige, die mich erboste: Jetzt ist er empört, dass ich ihm mal einen Vorwurf mache und hat doch gar nicht mal das Recht dazu, weil es im Grunde noch mit seinen Eseleien von früher zu tun hat und nun ist er auch noch so wütend, dass er noch nicht mal mehr Dein Harald schreibt.

Die Hauptsache ist ja nun doch, dass wir zusammengehören, einer in erster Linie für den Anderen da ist und dass um des Himmels willen keine Missverständnisse kommen. Nicht, Pappi?

Spare Dir um Himmelswillen keine Zigaretten für Spielzeug ab. Ich weiß ja, wie nötig Du sie hast. Ich will mal versuchen, bei Biederbicks oder Kreuschner welche zu bekommen, viel Hoffnung habe ich ja wenistens was die Firma Biederbick betrifft, nicht. Und meine paar lohnen ja nicht, weil ich ja auch nicht soviel im Voraus kaufen kann.. Die Firma Biederbick-Himpken ist da sehr streng

drin. Hatte ich Dir denn schon geschrieben, dass es nur ein Spielzeug pro Kind, auf dessen Kleiderkarte abgestempelt gibt? Und Du müsstest Dir mal den Mist begucken, der in Bonn war. Ich habe noch nichts gekauft, denn erstens ist es schade um das Geld und zweitens hätte ich mir damit die Möglichkeiten für eventuelle Wunder, die noch in Bezug auf Hereinkommen von Spielzeug geschehen, verscherzt. Ich lasse den Mädels die Puppen herrichten und baute ihnen den Kaufladen, gefüllt mit Vorräten, wieder auf. Für Klaus habe ich ja die Reichsautobahn vom vorigen Jahr und für Jürgen hatte ich im Sommer schon eine kleine Holzeisenbahn gekauft. Damit habe ich allerdings vorläufig meine Möglichkeiten erschöpft. Irgendwie freue ich mich ja, dass es so ist, denn es wäre schlimmer gewesen, die schönen Sachen zu sehen und für die Kinder nicht anschaffen zu können.

Nun meinen die Omis, falls Du Sachen aus Dänemark beziehen kannst, ob es nicht wichtiger ist, du besorgtest Speck oder Wurst? Ich weiss nicht richtig, wofür ich mich entscheiden soll. Richtiger wäre es vielleicht schon, denn die Spielsachen werden über kurz oder lang doch kaputt sein, aber ich möchte auch meine Kinder glücklich sehen und ihnen das Gefühl der Weihnachtsfreude geben und das geht nicht mit Speck und auch nicht mit Nachthemden oder Strümpfen, die ich ihnen noch besorgen werde.

Wie ist es mit Weihnachtpäckchen für Dich? Oder kommst Du? Sonst musst Du rechtzeitig Marken schicken, oder Du kannst notgedrungen nichts kriegen.

Ist es überhaupt zu glauben, dass wieder ein Jahr herum ist? Harald, wenn Du zurückkommst, müssen wir neben der vielen Arbeit, die auf uns wartet, für uns beide noch viel, viel vom Leben mitnehmen, ehe wir langsam zurücktreten und die Kinder in den Vordergrund lassen. Ich möchte gerne, und wenn es nur ganz kurze Zeit ist, ganz Frau sein und nicht nur Mutter und Hausfrau. Hoffentlich brauchen wir darauf nicht noch vier Jahre warten.

Und hier kommen Blitzmädchen über Blitzmädchen hin. Gestern sind den ganzen Sonntag über Fuhrwerke mit Koffern gefahren. Es sollen tausend sein. Ihr habt sie wohl auch nötig, denn mindestens alle acht Tage steht ein Werbeaufsatz in der Zeitung, und im Film wird auch Reklame dafür gemacht.

Den Franz von Jülichs traf ich gestern. Er fuhr mit einem großen Mülleimer nach Rüngsdorf zur Kuhle. (Müll wird nur noch unregelmäßig in ganz großen Abständen abgeholt.) "J-j-j-etz dunn ich dddat nnnnoch, aaaabur w-w-wenn mir d-dat zu d-dumm wird, d-d-dann schütten ich der Dreck für et Haus."

Und nun ist die Mittagspause rum und ich küsse Dich und bin sehr viel in Gedanken bei Dir (eigentlich immer) und das ist Dir vielleicht ein Trost in der Arbeit.

1000 Küsse Din Lött.