Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 5. Dezember 1941

den 5.12.41

Liebster Mann!

Ich habe das Zimmer nett hergerichtet und habe noch eine kleine Weile Zeit, ehe Strengers heute abend zu einem Glas Bier kommen. Und diese kleine Zeit gehört Dir. Die Kinder waren heute goldig in ihrer Erwartung des Nikolaus, und der kommt morgen sogar selber. Lisbeth Hessel macht ihn.

Heute ist das Paket an Schultzens weggegangen und eins von Ottos gekommen, und zwar mit zwei wunderhübschen Geschichtenbüchern mit entzückenden Zeichnungen, zwei großen Honigkuchen, zwei Paketen Spekulatius und einem Paket Printen. Richtig lieb. Über die Bücher bin ich glücklich, denn in keinem Geschäft, egal wo, ist auch nur ein einziges zu haben.

Ich rutsche hin und wieder oder eigentlich immer mehr in die richtige erwartungsvolle Kinderweihnacht hinein wie jedes Jahr vor Weihnachten Daran ändert sogar der Krieg nichts. Anneliese näht heftig Puppensachen und ein Verdeck für den Puppenwagen, auf den Du damals in Köln so böse warst. Denk mal, wenn er wirklich stehen gelassen wäre, dann wäre das schönste Geschenk für Ursel gar nicht da. Alle Puppen erstehen neu auf, d.h., mit Ausnahme von Perücken und Augen, die gibts nicht.

den 6.12.41

Es ist nach Tisch, kurz vor dem Nachrichtendienst. Die Kinder sind einigermaßen enttäuscht, dass ihnen der Nikolaus heute nacht nichts gebracht hat, aber desto schöner wird es hoffentlich nachher. Als ich heute morgen Helga zum Einkaufen mithatte, waren zu ihrem Entzücken Weckmänner bei Stendebachs, und da habe ich dann für jeden einen gekauft zum Nachmittagskaffee. Da kriegte Helga mich um den Hals und flüsterte mir zu: "Lass die Weckmänner lieber vom Nikolaus auf den Teller legen, das ist schöner wie nur so zum Kaffee."

Der Abend mit Strengers war nett. Er ist ja nicht sehr wendig im Geist, hat aber so etwas Biederes, Gutes, Treues. Der Glückliche hat Urlaub bis zum dritten Januar.

Du fragst nach Äpfeln für die Kinder. Wir kriegen hier keine zu sehen. Bloß Mutter hat von Frau Traunegger ein paar für Dich ergattert, sie will nun versuchen, ein paar von Frau ArndZ für die Kinder zu Nikolaus zu bekommen.

Eben höre ich den Nachrichtendienst. Wenn man den hört und auch die Erzählungen von Strenger, dann fragt man sich doch immer wieder, ob man berechtigt ist, mit den Kindern so gemütlich und schön die Weihnachtszeit zu feiern, bei solchem Elend in der Welt. Und trotzdem tut man es, und man bejaht auch immer wieder die Berechtigung, denn wer weiß, wann man selber dran ist.

Nachmittags

Ich komme heute mal wieder nur bruchstückweise zum Schreiben. Heidi kommt eben und sieht toll aus. Sie und Klaus haben mal wieder hinter dem Haus an dem Bunker gebaut, und die Trainingsanzüge haben pfundweise Erde an sich. Aber Heidi ist dann hingegangen und hat nach dem Spiel die Steine hinter dem Haus geschruppt, was ich reizend fand. Nun zieht sie sich oben um, weil wir gleich Advent feiern wollen. Auch ihre Schulaufgaben macht sie mit derselben Selbstverständlichkeit, ohne dass ich predigen muss.

Ursel erzählte vorhin vom Weihnachtsmann im Kindergarten. „Und dann hat er einen großen langen Swanz am Mund hängen gehabt". Mit Helga singe ich Weihnachtslieder zweistimmig. Das macht ihr großen Spaß.

Also, der Nikolaus war da. Wir hatten wunderschön Advent gefeiert, ich habe den Kindern das Märchen von Frau Holle erzählt, wir haben gesungen, und die Kerzen brannten, und dann schellte es langanhaltend. Zuerst meinten die Kinder, das sei der Luftschutz, und wir hätten irgendwo nicht genügend verdunkelt, aber wie dann Schritte die Treppe raufstapften, schrie Helga: "Der Nikolaus", worauf Klaus unter dem Schreibtisch verschwand und Ursel unter der Couch. Ich sah nur noch ihre kleinen Hinterteile. Klaus kam dann auf Anruf wieder vor, antwortete aber nur zitternd und versprach alles. Jürgen sah mit großen Augen zu, aber als sich der Nikolaus an ihn wandte, brüllte er laut los. Ursel war gefasst, versprach aber auch alles und überschlug sich dabei vor Eifer. Nun ebbt oben die Aufregung bei einer Tasse Milch ab, und sie fressen ihre Tüten auf. Deine Nüsse sind auch weise verteilt worden, jeder hat eine bekommen und Weihnachten gibt's nochmal eine. Sozusagen nur symbolisch. Aber vielleicht deshalb haben sie so großen Eindruck gemacht. Klaus hütet seine wie seinen Augapfel.

Eben war ich nochmal an den Kinderbettchen, und alle sind im siebten Himmel. Wie wenig brauchen doch Kinder, um außer Rand und Band zu geraten. Drei Stückchen Schokolade in Würfelzuckergröße, einige Plätzchen, ein Apfel, eine Nuss und die bunten Taschentücher, und sie sind einfach selig. Klaus erklärte, dass er seine Nuss erst am Weihnachtsabend aufmachen wollte. Und nun sitzen alle in den Betten und besehen mit Hingabe die herrlichen Taschentücher, auf denen immer ein anderes Weihnachtsbild ist

Abends

Der Nikolaus hat noch mit uns zu Abend gegessen, dann haben wir uns nochmal die Kinder angesehen. Alle hielten im Schlaf ihre Tüte fest. Ein

[Der Rest ist verloren.]