Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 3. Januar 1941
Lieber, lieber, lieber Mann,
ich habe Dich so lieb, so vorbehaltlos lieb wie noch nie. Und ich bin immer noch nicht richtig traurig, dass Du nicht mehr da bist. Nur glücklich, dass wir uns so lieb haben. Ich müsste schon ein Dichter sein, um zu schildern, wie mir zu Mut ist.
Gestern abend kam ich erst um ½ 12 in Godesberg an. Die Mütter waren in fürchterlicher Aufregung und waren gerade im Begriff, die Polizei anzurufen. Und ich habe mich dann nachher noch an den Ofen gesetzt und einen Eierkognak getrunken. In einem habe ich Dir nicht gehorcht, jeder der Beiden bekam auch einen, denn Du hättest die Stielaugen sehen sollen, mit denen sie die Flasche ansahen. Und dann bin ich ins Bett gekrochen. In Deins, denn die Omi war noch nicht wieder eingezogen. Und dann habe ich das Heizöfchen brennen lassen und habe noch etwas in die rote Glut gesehen und den fünf Tagen nachgeträumt. Zum Schluss habe ich dann ganz abgrundtief und herrlich geschlafen bis heute morgen um ½ 10 Uhr.
Ist das heute eine Kälte! Und meine Halsschmerzen sind noch nicht besser, weil ich in dem starken Nordwind den ganzen Morgen rumgelaufen bin, zur Post und zur Sparkasse, um alles in Ordnung zu bringen, und die Mappen für das neue Jahr sind jetzt auch geordnet. Bei Schneiders habe ich noch ein paar geholt und habe dem Will Schneider Deine Adresse gegeben und er mir seine für Dich. Ich klebe sie an den Rand.
Heute nachmittag war ich nun bei Frau Schubert. Frau Holtmann ist ja reizend von einer übersprudelnden Lebhaftigkeit. Aber viel zu lachen hatte sie in Deutschland noch nicht, bis sie zu ihrer Kusine hier zog.
Was magst Du jetzt wohl tun? Ich denke viel an Dich, und heute abend werde ich ganz früh ins Bett gehen (schon um warm zu werden) und werde an Dich denken. Ich habe dem Will Schneider die Geschichte mit dem verspäteten Urlauberzug erzählt. Nun will er auf jeden Fall seine Frau auch mit nach Köln nehmen. Bei dem war es umgekehrt wie bei Dir. Ihm wurde das Gesuch in Bonn abschlägig beschieden und von der Truppe genehmigt. Und dann gleich vier Wochen.
Ich sehe Dich immer noch vor mir mit dem Käppi und in der Uniform. Sie steht Dir sehr gut. Und Deine lieben Augen, wenn Du mich anlächelst. Und das Licht-und Schattenspiel des elektrischen Ofens. Deine Lotti
(Von Harald schräg an den Rand geschrieben: Ach mein süßes Lottenkind, wie hab ich Dich so lieb.)