Charlotte Endemann an ihren Mann Harald,12. Januar 1941
den 12.1.41
Lieber Mann!
Den ganzen Nachmittag sitze ich allein beim Wunschkonzert. Die beiden Omis sehen einen Film an. Nur Ursel und Jürgen waren bei mir und ich habe sehr viel an Dich gedacht.. Ich habe Dich so lieb und ich inn so glücklich. Wir haben uns beide lieb, ich bin so stolz auf Dich und wir haben die fünf gesunden, schönen Kinder. Deswegen überwiegt dieses Glücksgefühl auch die Trauer über die Trennung. Aber dieses rein persönliche Glück (denn alleine ist das Leben doch nicht halb so schön, ganz abgesehen von ganz materiellen Sachen wie Ausgehen mit Dir, Fahrten nach Köln usw.) muss ja eben für die ganze Sache sein und ich kann mir ja nicht wünschen, dass wegen meines höchst persönlichen Vergnügens der Krieg abbestellt wird.
Die Ursel ist ein ganz süßes Blag. Wo sie eine Mütze erwischt, stülpt sie sie auf und spielt dann erst. Das hat sie sicher von Tante Thea, die ja auch immer eine alte Kappe zum Malen aufsetzte. Und ein kluger Racker ist sie. Dieser Blick, mit dem sie einen ansieht, wenn man etwas bei ihr durchsetzen will, auf Umwegen, und sie durchschaut dann die Sache. Dann rutscht sie entschlossen von meinem Schoße runter, und der Fall ist für sie erledigt.
Ich bin schrecklich neugierig auf Deine nächste Post. Es wird wohl auch nicht zu lange dauern, nachdem ich nun eine Woche gewartet habe. Habt Ihr da viel Alarm? Oder Angriffe? Diese Woche war in Köln und Düsseldorf wieder allerhand los. Habe ich Dir schon erzählt, dass liebe Lenni beinahe was aufs Dach bekommen hat? Im wahrsten Sinne des Wortes. Sie wohnt Richard Wagnerstrasse 27 und 25 und 31 sind mit Brandbomben bedacht worden und haben feste gebrannt.
Ich habe Beppo Gesler Deine vorläufige Feldpostnummer mitgeteilt. Er war an Telefon sehr krappig, denn Geslers hatten heute, am Sonntag, für sechs Personen ein Hähnchen, und er sagte, dass er allen Ernstes vorgehabt hatte, aus essen zu geben, aber dem Druck der Familie habe er sich gefügt und blieb. Da habe ich ihm dann einen recht gemäßigten Appetit gewünscht, was er dankend annahm. Sein Hunger reichte nämlich für das ganze Hähnchen.
Ich komme eben mit der Mu nach Hause. Wir haben ein Glas Bier im Hotel Rheinland getrunken das erste Mal nach Deinem Wegsein bin ich so aus-
gegangen. Nun bin ich recht schön müde. Das Gespräch mit der Mu war ja nicht gerade sehr angeregt, aber in den langen Zwischenpausen habe ich dann in Gedanken einen sehr schönen, einen wunderschönen Brief an Dich geschrieben. Und damit musst Du Dich begnügen. Er war wirklich wunderschön, und ich habe Dir schrecklich viel darin gesagt. Gute Nacht, mein lieber, lieber Mann.
den 13.1.41
Eben kommt Dein Paket mit dem Kaffee. Es ist also nicht verloren gegangen. Vielen, vielen Dank. Die Schokoladetäfelchen bekommt Klaus zu seinem Geburtstag.
Draußen schneit es wieder sehr. Aber die große Kälte hat nachgelassen. In ein paar Minuten kommen nun die Kinder nach Hause, und es wird laut und lebendig.
Der Brief muss zur Post. Aber dafür wird ein neuer angefangen. Hoffentlich brauchen meine Briefe nicht so lange wie Deine. Willst Du Hildebrand in meinem Namen danken? Oder soll ich es tun? Ich kann bloß keine schönen Briefe schreiben, und denn so'n halber Theologe,
Deine Lotti