Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 19. Januar 1941
Bad Godesberg, den 19.1.41
Lieber, Liebster!
Sonntagmorgen, Die schöne Bachkantate ist mir durchgegangen durch Frau Schroeders Besuch, und dabei hatte ich mir fest vorgenommen, sie zu hören und hatte meine Arbeit dementsprechend eingeteilt. Schade. Und jetzt spielen sie das Fest der Zwerge, und das muss ich mir anhören, weil meine Uhr stehengeblieben ist und gleich die Zeit angesagt wird. Ich habe aber dieses Fest so leise wie möglich abrollen lausen. Nun ist es zu Ende. Gottseidank.
Ich lese ein sehr hübsches Buch: 'Und eines Tages öffnet sich die Tür'. Es ist ein Briefwechsel zwischen zwei Liebenden, aber kein ausgedachter, sondern ein wahrer, der zum Schluss gedruckt wurde. Ich wünsche, ich könnte solche Briefe schreiben. Und das Schöne an diesen Briefen ist, dass sie nicht auf einem Kothurn dahersteigen, sondern schlicht und natürlich geschrieben sind, und doch berühren sie alle Wissensgebiete, ohne dass man den Eindruck des Krampfhaften hat. Diesen Eindruck hat man manchmal ganz leise in dem Buch 'Das Herz ist wach', aber das waren ja auch Briefe, die zu einer späteren Veröffentlichung geschrieben wurden.
Hansi schrieb mir heute einen schönen langen Brief. Sie hat ein ganz reizendes Nachweihnachtsfest in einer ihr bekannten Familie namens Modlmayer mitgemacht. Das hat sie mir geschildert. Herr Hodlmayer ist Schriftsteller. Schrecklich, dass man gegen eine Dichter mit diesem Namen von vornherein eingenommen ist, wenigstens, was seine Kunst betrifft. Hoffentlich hat er ein Pseudonym. Was der Sache aber wieder ein plus gibt, ist, dass sein bester Freund der Schriftsteller Magnus Wegner, der auch die Morgenfeiern im Rundfunk macht, ist.
Ich bin angenehm angeregt durch ein Glas Kognak, das wir zu Ehren von Frau Schröders Besuch getrunken haben. Nun kann ich in Deiner Gesellschaft das Mittagessen abwarten. Ich freue mich so, dass Du nun ein hübsches Zimmer und ein Radio hast. Und wie sind Deine Kameraden? Wenn so Junge auch nett sind, so kann man mit ihnen doch nicht so zusammensein wie mit Gleichaltrigen. Ich bin sehr gespannt auf Deinen nächsten Brief.
Edith rief heute morgen an. Charlie kommt nach Rumänien. Willi Schumann ist in Iserlohn und wird zum Sanitäter ausgebildet.
Hast Du jetzt meine Post bekommen, die ich an die Feldpostnummer Deiner dortigen Kameraden geschickt hatte? Jetzt müsstest Du doch überhaupt schon irgendetwas von mir bekommen haben. Den Kornett wage Dir noch nicht zu schicken, ehe ich nicht weiß, daß Du
irgendwas von mir bekommen hast. Diesmal dauert es doch sehr lange, bis wir wieder in Kontakt kommen um durchhalten zu können wir beide es nur so gut, weil wir die schöne Erinnerung haben. Und jetzt denke ich viel daran, dass Du in vier Wochen vielleicht wieder da bist. Und das ist garnicht so sehr lange. Auf jeden Fall lebe ich jetzt schon ganz in der Erwartung Deines nächsten Urlaubes.. Und dann wird es ja wohl den ganzen langen Sommer nichts mehr damit werden,, wie mir Strenger damal sagte.
Thea wird wohl heute in Füssen ankommen. Die Mu träumt davon, dass ich auch acht bis vierzehn Tage dahin gehen soll. Aber das geht ja nicht. Lollo geht nun auch nach Godesberg in eine Pension, Sie hat Ehreshoven gründlich satt. Und Ende April geht sie dann in eine Klinik nach Kissingen, wo sie schon angemeldet ist. Denn Köln hat die letzte Zeit doch allerlei mitbekommen. Auf dem Domplatz waren auch Bomben gefallen.
Im Radio spielen sie gerade den Reitermarsch, den wir damals auf dem Turnier hörten, nach dem das Pferdegespann so nett galoppierte. Und jetzt sind die blauen Dragoner dran.
Ach Lieber, lieber, ich schreibe Dir manchmal so schöne, so wunderschöne Briefe, aber dann ist weder Federhalter noch Schreibmaschine in der Nähe.. Ich unterhalte mich mit Dir wenn ich in die Stadt gehe, oder morgens, ehe ich aufstehe, oft ganz lange und erzähle Dir so viel.
Eben komme ich aus dem Bismarckfilm. Er ist ganz gross und Du musst ihn Dir unbedingt ansehen, wenn Du kannst.
Ich schließe. Oben musste ich eine große Zankerei zwischen den Kindern und Anneliese beschwichtigen. Darin ist sie selbst noch ein Kind. Aber jetzt ist wieder Ruhe und Frieden und alles schläft ein.
Deine Lotti