Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 24. Januar 1941

den 24.1.41

Lieber Mann!

Habe recht herzlichen Dank für Deinen Brief, der schon heute, also nach zwei Tagen, bei mir ankam. Du siehst, dass ich mich erkenntlich zeige, hoher Herr, und sofort wieder schreibe.

Zwischen dem 4. und 15. Januar habe ich aber Briefe geschrieben und an die Adresse, die Du mir in der Zwischenzeit aufgegeben hattest. Wo mögen die bloß sein? Es sind ja nicht gerade unersetzliche Werte, aber man mag sie doch nicht so in der Welt rumflitzen haben. Aber dass Du nun wieder öfter schreiben willst, ist ja nun doch nett, denn unergiebiges Warten ist fies. Ist nun ein Urlaub in Aussicht?

Heute kam ein ganzer Schwung Einkommensteuererklärungen an. Die kann ich nicht aus-füllen. Ebenso wirst Du ja auch für die Einkommensteuererklärung für Engels gebraucht werden, und Pfarrer Grashoff will auch Angaben haben. Im Übrigen schreibt er einen sehr netten, vier Seiten langen Brief, dass er vor Beendigung des Krieges keine Abrechnung haben will und dass er durchaus unbesorgt sei, denn er wüsste alles In besten Händen. Ich solle dem "trefflichen Manne" (als wie Du) das mitteilen. Aber er ist ja doch rührend in seiner Weltunerfahrenheit und seiner Besorgnis, jedem anderen nur alle Steine aus dem Weg zu räumen, so dass man gerade ihn besonders nett behandeln muss.

Frau von Salvini schrieb auch auf meine Abrechnung hin. Sie hat Dir ein Paketchen zurechtgemacht und will es an meine Adresse senden. Ihr Mann war auch in Urlaub da. Seine Feldpostnummer ist noch die alte. Ich suche sie Dir auch raus. Aber jetzt bin ich zu faul. Ich habe keine Lust schon wieder runterzulaufen.

Und dann war ich in der Stadt und habe bei von Fricken noch einen Klappwagen für 26,- Mk. gefunden und sofort gekauft. Die neuen, die er nächste Woche reinbekommt, kosten auch 40.-Mk. gerade wie bei Nietgen, und schließlich muss Jürgen doch spazieren gefahren werden. Einen alten kann man nicht kaufen, denn alle jungen Frauen halten ihre fest, weil sie meinen, es könnte doch, und dann bekämen sie heute keinen neuen wieder. Und der alte, in dem Ursel morgens in den Kindergarten gefahren wird, wird jetzt rückwärts mit einer dicken Kordel zusammengehalten. Ich habe mich heute sehr geniert, als ich das Kind mit dem Monstrum abholte.

Sag mal, jetzt belästige ich einen Helden mit Kinderwagensorgen, das passt doch eigentlich auch nicht. Dafür kannst Du mir ja mal von Eurer neuen Kanone oder sonst ner Maschine erzählen und dann gleicht sich das wieder aus. Mit Bindfaden brauchen die ja wohl nicht zusammengehalten werden.

Heute abend habe ich alle vier Trabanten gebadet und ihnen die Köpfe gewaschen. Das war ein Hallo. Und zum Schluss

habe ich ihnen das Abendessen gemacht, süße Haferflockensuppe, Brötchen mit Butter und Apfel. Das ist nichts Besonderes, aber jedes Mal, wenn Mutti es ihnen macht, schreien sie vor Wonne und meinen, es schmecke ganz besonders gut. Wie habe ich sie alle lieb, meine Trabanten.

Anneliese pfeift und singt unten durch Haus. Sie näht sich ein neues Kleid zum Sonntag. Wir mussten es eben begutachten. Auch Din Fru merkt schon wieder, dass der Frühling kommt. Sie überlegt an Kleidern, Hüten und Farbzusammenstellungen herum. Sie möchte so gerne noch eine hübsche Bluse haben und einen schönen Hut und hübsche Wäsche. Mal sehen, was der Familienunterhalt dazu sagt. Und wenn der Mann Urlaub bekommt, dann möchte die Fru das alles zusammen mit ihm einkaufen, damit ihm auch alles recht gut gefällt. Und dann möchte sie, dass er sie ins Stapelhaus anschließend einlädt. Und dann wird schon die schöne, warme Frühlingssonne scheinen, und der Rhein glitzert, und die beiden trinken ein Glas Wein. Nachmittags gehen sie dann vielleicht in den Kaiserhof, vorher an der 'Truhe' vorbei und vielleicht steht da etwas sehr Nettes für die Wohnung. Die Frau hat ihren Mann so gerne und reibt mit ihrer Nase mal ganz schnell an seiner Schulter lang, weil sie ihm auf der Straße ja keinen Kuss geben kann. Vielleicht, wenn die beiden durch die Budengasse kommen, gehen sie sogar zu Wiesel rein und wenn der Portier noch zweimal so lang geworden ist. Vielleicht sind bis dahin aber schon ein paar Bomben auf Wiesel gefallen. (Der Satz war defaitistisch nach Rechtsanwalt Wolf.)

So, jetzt werde ich flicken und nähen. Über die Geschichte mit dem eingebrochenen Mönch habe ich Tränen gelacht. Deine Mutter war ganz chokiert, dass ich so lachen musste, weil es doch eigentlich eine sehr traurige Sache ist, und ich sollte mich doch in die Lage des armen Mannes versetzen.

den 25.

Der Brief kommt gleich in den Kasten. Wichtig ist mir, ob Du das Schreiben von Rechtsanwalt Wiel bekommen hast und ob Du kommen kannst oder ob Du ihm selber schreibst. Draußen regnet es sehr. Helga liegt mit 39 zu Bett. Sie hat die Grippe. Ursel sagte vorhin zu mir: "Wenn de Pappi kommt, dann schimpft er sehr mit Dir". Auf mein "Warum" antwortet sie: "Weil de bös mit mir bist". Sie war nämlich ungezogen.

Noch schnell ein Satz aus dem Bismarckbuch: Er schreibt da seiner Frau in einem Brief:

'... denn ich habe Dich geheiratet, um in der fremden Welt eine Stelle für mein Herz zu haben, an der ich die Wärme des heimatlichen Kaminfeuers finde, an das ich mich dränge, wenn es draußen stürmt und friert. Und jetzt will ich mein Kaminchen hegen und pflegen und Holz zulegen und pusten und schützen und schirmen gegen alles Böse und Fremde, denn es gibt nichts, was mir nächst Gottes Barmherzigkeit teurer, lieber und notwendiger wäre als Deine Liebe und der heimatliche Herd'. Ist das nicht reizend? Und so bist Du auch.

Deine Lotti.

[Ach Lottenkind!]