Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 13. Februar 1941
den 13.2.41
Liebster!
Der Abendbrief, der übliche. Und zuerst vielen, vielen Dank, für den wirklich sehr langen Brief, der heute gekommen ist. Ich freue mich ja ebenso auf Deinen Urlaub. Und auch hier ist der Frühling in der Luft. Und ich glaube auch, dass, bis Du kommst, der Steingarten ein kleines bisschen grün ist. Er ist jetzt für die Kinder, besonders Klaus, tabu, nach der letzten fürchterlichen Wichse im Herbst. Und wenn irgendwelche Pflänzchen damals endgültig dran glauben mussten, schadet es auch nichts, denn dann ist immer noch der Steingarten von Frau Pfarrer Lebeau da, aus dem wir ergänzen dürfen.
Nun wirst Du wohl das Telegramm haben. Onkel Emil ist schon den ganzen Tag bewusstlos. Hoffnung ist keine mehr. Ob Du wohl können kannst, oder ob dieser Todesfall noch Druck hinter Deinen Arbeitsurlaub setzen kann? Morgen kommt Götz Classen (anderer Stiefsohn von Onkel Emil) der alles regeln wird.
Oben werden Deine Rangen ins Bett gebracht. Dein Jürgen, ich kann mir nicht helfen, sieht augenblicklich richtig katholisch aus. Allein setzt sich der Bengel immer noch nicht hin, trotz-dem er doch im März 10 Monate alt wird, aber er futtert für drei. Und es scheint wieder, dass Mütter beim Jüngsten am schwächsten sind, denn ich habe doch bei allen durchgesetzt, dass das Gemüse ohne Zucker gegessen wird, nur bei diesem ist es mir nicht gelungen. Ich muss sogar ins Kartoffelpüree und in die Bouillon Zucker tun. Sein Widerstand ist so energisch und das letzte Mal, als ich es ihm einfach reingezwungen hatte, machte er eine Schlangendrehung mit dem Bäuchelchen und dann war alles wieder draußen. Dann hat er laut vor Vergnügen gelacht, und ich, die schon gesiegt zu haben glaubte, saß da.
Und so gibt es noch einige Kleinigkeiten. Er muss z.B. nachts im Wagen neben meinem Bett schlafen, sonst fängt er gegen drei zu brüllen an und hört, wenn es Stunden dauern sollte, einfach nicht auf. Das kann ich wegen der anderen Kinder nicht, und nun sollst Du sein strahlendes Gesicht sehen, wenn ich abends abkarriole mit ihm in mein Zimmer. Und dann bekommt der Bengel immer noch morgens um sechs sein Fläschchen, während die anderen doch erst um acht Uhr in dem Alter drankamen. Aber das Gebrüll setzt mit solcher Macht ein, dass Anneliese schnell runterläuft. Wo bleibt da die Pädagogik? Man müsste dem Bengel zeigen, wer Herr im Haus ist, aber da leider Gottes noch andere Leute in den Zimmern schlafen, siegt er. Ich glaube der braucht später den energischen Pappi.
Übrigens habe ich heute für Dich zwei schöne, weiße Nachthemden bei Leyendecker gekauft. Es ist noch echter Wäschestoff, und es waren die zwei letzten. Alles andere ist ja jetzt schon Zellstoff. Nun liegen sie und harren Deiner.
Pappi, was hältst Du vom Krieg? Viele meinen jetzt,, dass wir doch wohl noch nicht im Herbst fertig sind. Aber schliesslich überlasen wir alles am besten dem Führer, der machts schon richtig. Jedenfalls tröste ich mich immer mit diesem Gedanken, wenn so alte Unken kommen.
Wir haben wohl die letzten Nächte ein paarmal Alarm gehabt, aber weder ist geschossen worden, noch hat man überhaupt einen Tommy gehört. Düsseldorf hat vorige Woche ja mal ordentlich wieder was bekommen nach Trudes Erzählungen.
Ob Du wohl schreiben kannst, ehe Du kommst oder ob Du plötzlich dastehst? Ich beschäftige mich viel mit dem Gedanken. Aber wenn i h Dich abholen könnte, wäre es auch sehr schön. Ich habe gestern Edith gesprochen. Karl schrieb ihr, wenn er erst in Rumänien sei, oder irgendwie in dieser Ecke, bekäme er drei Wochen Urlaub. Auch Edmund ordans hat drei Wochen. Nur bei Euch scheinen sie knauserig damit zu sein. G.atzfeld hat auch einen Bereitschaftsbefehl bekommen. Er muss zur Marine, trotzdem er 45 Jahre ist.
Ein Stück von einer Hausfrau habe ich ja doch. Die Frühlingsluft bringt mich sofort auf Hausputzgedanken. Aber ich verspreche Dir, dass es in Deinem Urlaub nichts davon gibt. Aber ich denke, wir werden viel ausgehen, auch ins Gebirge. Dabei fällt mir die Einkommensteuer ein. Ich habe schon die Auszüge gemacht. Es wird aber noch allerlei fehlen, was wir als Unkosten buchen können. Die Gesamteinnahmen des Jahres waren ungefähr 11 ½ Tausend Mark.
Es wird (zum Essen) gegongt, Pappi, und ich habe Hunger. Heute abend gibts Käsebrot, er ist aber ziemlich Iederartig. Wir bekommen jetzt Gemüsekonserven zugeteilt, für unsere Familie 18 Stück. Ich werde sie aber nicht nehmen, denn erstens sind sie haarig teuer, und zweitens sind sie in Schwarzblech eingemacht, und laut Zeitung sollen sie bis zum 28. Februar gegessen sein, da sie sich nicht halten. Da sie aber erst im Laufe der nächsten Woche bei Biederbick eintreffen, werde ich sie nicht kaufen.
den 14.2.41
Na, hör mal, jetzt habe ich heute morgen ganz vergessen, den Brief in den Kasten zu werfen. Und nun ist es beinah ein Uhr. Mit Onkel Emil ist es immer noch dasselbe. Dr. Schampel sagte aber, dass es ein Glück ist, dass er den Schlaganfall bekommen hat, denn die Schluckbeschwerden waren beginnender Speiseröhrenkrebs. Hoffentlich muss er nicht noch zu lange so liegen. Seit gestern morgen ist er bewusstlos.
Ich bin mit Helga heute durch unseren grossen Garten gegangen und habe nachgesehen, ob schon etwas kommt. Die Schneeglöckchen kommen aus der Erde, und die Tulpenspitzen sind auch schon da. Und ganz winzig regt es sich im Steingarten. Heute morgen haben wir den Vorgarten recht schön frühlingsmäßig geharkt. Jetzt müssen wir an die Bepflanzung der Beete denken und an die Kletterrosen und die Bepflanzung des Balkons. Aber das kannst Du vielleicht mitbesprechen. Es ist heute lauter Frühling.
Heute morgen kam eine Karte von Thea. Von Klaus kein Wort. Ob die ihn so mit Post verwöhnt wie ich Dich? Ich schicke einen Brief von helga mit, der schon lange hier liegt. Sie hatte ihn ohne mein Wissen geschrieben. Anneliese kam dann dahinter und wollte nicht, daß er abgeschickt wird, weil so viele Fehler drin sind. Aber Du wirst Dich doch drüber freuen, denke ich. Herzlichst Deine Lotti
Wo bleibt die Vollmacht für das Konto Remi u. Mathieu. Ich kann nicht weiter.