Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 15. Februar 1941
den 15.2.41
Liebster Harald!
Eben kam Dein Brief und der an Helga. Helga hat sich enorm gefreut und liest ihn aller Welt vor. Und ich freue mich auch sehr, dass Du doch wieder eine Gewohnheit aus dem Schreiben gemacht hast. Denn so habe ich dann doch irgendwie das Gefühl, Du seist hier.
Onkel Emil wird nun am Dienstag beerdigt. Trude ist ja rührend, während die andere Seite sich doch sehr kaltschnäuzig zeigt. Es scheint auch zwischen Onkel Emil und seiner Frau ein endgültiger Bruch gewesen zu sein, wie Götz der Trude erzählte. Er hätte furchtbare Szenen zwischen den beiden erlebt, und die Trennung war die größte Notwendigkeit, denn sie wurden schon handgreiflich miteinander. --- Eben kommt Götz zum Kaffeetrinken zu uns. Bis nachher also.
Der Nachmittag war nett und angeregt, ich kann es gut mit Götz Klaasen, und für ihn ist die Sache ja auch nicht so einfach, auch das Zusammentreffen mit Trudchen (d.h., sie kann es irgendwie nicht verwinden, dass er zu der Familie gehört, die ihrer Mutter das Leid zugefügt hat, trotzdem sie ihn persönlich sehr nett findet. Und schließlich ist er ja der angeheiratete Schwiegersohn. Die alte Generation hat aber irgendwie das Gefühl, auch die Schwiegersöhne müssen blutsverwandt mit dieser Jetta sein. So sitzt es wenigstens in ihnen). Bisschen konfus habe ich mich ausgedrückt, aber ich hatte meine Gedanken beim Abendessen.
Ich habe eben in den Briefen gestöbert, die G.K. uns hier gelassen hatte. Es wird doch viel Schwulst zusammengeschrieben und ich kann es in den Tod nicht leiden. Wenn irgendwo ein wirkliches Gefühl aus einem Satz spricht, merkt man es sofort, aber das meiste ist doch sehr geschraubt, was sich die Leute zusammenschreiben.
Entzückend sind zwei Briefe von Trudchen. Fabelhafte Schilderungsgabe, wirkliches Gefühl für den Onkel, (keine langen Reden, aber richtige Worte). Reizend die Schilderung von Helgas Heim in Berlin, aber köstlich, wie sie als Mutter doch nicht so ganz mit allen einverstanden ist, Helga ist ihr noch nicht fraulich und mütterlich und uneigennützig genug, sie sei noch zu bubig, trotzdem sie sehr intelligent sei, das Kind wir, trotzdem sich Helga wirklich viel Mühe mit gäbe, nicht so ganz richtig gepflegt aber – ein Stossseufzer – sie dürfe ihr nicht reinreen, denn Helga würde sofort Krabatzig und liesse sich rein garnichts sagen. Dann fand ich einen brief von tante Emilie an Onkel Emil. Sie schreibt, sie hätte es in Büderich sehr gut, aber leider wäre der Haushalt nicht so, wie er sein müsse. Trude würde wohl bis an ihr Lebensende nicht lernen, eine wirkliche Hausfrau zu sein, ihr fehle die Übersicht, sie hätte zuviele andere Gedanken im Kopf, die Kinder würde sie auch nicht ganz richtig
erziehen, die zanketen sich untereinander zuviel – aber, Stossseufzer – sie dürfe ja nicht viel sagen, denn trude würde leicht krabatzig, wenn man ihr in den Haushalt hineinrede.
Um die Kette weiter zu flechten: Trude erzählt eine Geschichte, wie ihr Tante Emilie von ihrer Urgrossmutter erzählt habe. Trude meinte in Parenthese dazu, Tante Emillie könne sich das auch etwas merken. Diese Urgrossmutter war ein junges Ding von 17 Jahren, als sie heiratete, und der Urgrossvater war sehr viel älter, aber sehr nett. Eine grosse Hauswirtschaftskünstlerin war sie in dem Alter noch icht und die Mutter hatte sich angewöhnt, alle paar Wochen in dem jungen Haushalt nach dem rechten zu sehen und nach ihrer Meinung alles wieder ins Lot zu bringen. Bis dann eines Tages der Mann sagte: Frau Mutter, ich muss Sie bitten, sich nicht mehr vo viel in den Haushalt meiner Frau zu mischen. Meine Frau macht es schon so richtig wie sie es macht.
Ich glaube, diese Kette mann man weiterziehen bis zu Adam und Eva. Ist das nicht nett? Trude sagte gestern auch so nett, wie wir übers Kinderkriegen sprachen und die Omi Endemann erzählte, dass wir die beiden letzten Kinder bis zum 6. Monat verschwiegen hätten: Na, hört mal, ich möchte in solchem Fall auch nicht immer zwei Mütter vorgesetzt kriegen und denen Rede und Antwort stehen.
Tante Emilie, die ja nicht bei ihr wohnte, hat ihr nämlich bei jedem der fünf Kinder schon aus der Entfernung die Hölle heißgemacht. Sie sagte, es sei geradezu ein Martyrium gewesen, es ihr mitzuteilen und dann das Theater anzuhören. Trude sagt, sie redet keinem ihrer Kinder in diesem Punkt hinein. Wieviel Kinder ein junges Paar bekommen will, ist ganz deren Sache, und Berechnungen, ob man sie durchbringen kann, sind ia immer falsch.
Engels rief heute an und fragte, ob Du wohl kämest. Er sagt, er hätte sich in Bonn verwendet und der Herr hätte ihm sehr nett versprochen,, die Sache sofort weiterzuleiten. Wie ich ihm aber sagte, ------
ich habe keine Zeit mehr, der Brief muss in den Kasten.
Tausend Küsse, Deine Lotti