Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 19. Februar 1941
den 19.2.41
Mein liebster Mann!
Heute nachmittag habe ich Deinen Brief vom 16. bekommen, gerade, als wir von Onkel Emils Begräbnis zurückkamen. Du hattest noch nichts von seinem Tod gewusst. Das Begräbnis war sehr schön, Kolfhaus sprach gute und wahre Worte. Es waren nicht viele Leute, aber alles alte Freunde dabei. Seufert sagte dann auch sehr schöne Worte und ließ durch zwei Jungens einen Kranz niederlegen, geflochten aus einer Eibe, die Onkel Emil selber gepflanzt hat.
Trude war auch wiedergekommen, auch auf besonderen Wunsch von Tante Emilie. Nachher haben wir dann mit Götz Klaasen und Trude bei uns Kaffee getrunken, und ich hatte den Eindruck, dass G.K. sehr entzückt von Trude war. Sie kann ja auch entzückend erzählen und hat einen reizenden Humor.
Nun würde es ja wohl langsam Zeit, dass Du von Deinem bzw. meinem Gesuch etwas hörtest. Vielleicht ist es mittlerweile schon geschehen. Ich halte den Daumen. Ich wäre aber auch grässlich enttäuscht, wenn aus dem Urlaub nichts würde, denn ich bin schon hundertprozentig drauf eingestellt.
Und mir hat auch Onkels Tod und sein Sterben so allerlei Gedanken gebracht, und ich bin vorläufig noch froh, dass wir da sind und auch noch jung sind. Denn mit dem Alter kommt notwendigerweise auch die Resignation. Allein schon, weil man keinen Ausblick mehr hat, wenigstens was diese schöne Welt betrifft, die ich immerhin doch für eine der besten halte.
In Onkel Emils Nachlass befand sich auch das Manuskript von Onkel Becker, der 'Familien-roman'. Ich habe vorhin etwas drin gelesen. Tante Hedwig ist in sehr verklärtem Licht ge-schildert, aber wie er dann anfing, ihre Krankheiten mit auszuführen, die mit Unterleibsleiden anfingen, wozu sich dann als zweites eine Darmneurose gesellte, habe ich das Buch zugeklappt und mir die Aufzählung der anderen Krankheiten gespart. Und dann, wenn man gute und kluge Gedanken hat, kann man noch immer keinen roman schreiben. Und dieser Roman sollte gedruckt werden!!! Augenblicklich sitzt Deine Mutter im großen Sessel und liest und bekommt leise Schwächeanfälle.
Zwei Briefe hatte ich von Dir, einen geschriebenen und einen, in den Du alle Post gepackt hattest. Jetzt kann ich verstehen, dass Du es nicht leiden kannst, wenn ich Dir nur fremde Post schickte ohne ein Wort von mir, dass Du enttäuscht warst. Mir ging es genau so, trotzdem doch der andere lange Brief dabei war. Aber man meint, in dedem Kuvert müsse etwas persönliches drinsein..
Die Bücher bestelle ich Dir bei Linz. Ich mache Schluss, denn es wird zum Essen gegongt, und Du sollst nach Möglichkeit jeden Tag einen Brief haben.
Deine Lotti