Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 13. April 1941

                                                                                                                                                            

Ostersonntag

Mein liebster Mann!

Nun ist der Brief erst eine halbe Stunde im Kasten, Jürgen ist auch versorgt, und ich schreibe schon wieder. In der Küche sind die Ostervorbereitungen so weit gemacht, um den Kalbsnierenbraten kümmern sich die Omis. Und ich schreibe schon wieder, weil ich bei Dir sein möchte. Und wenn ich an Dich schreibe, bin ich es mehr, als wenn ich nur an Dich denke. Hoffentlich hast Du Osterstimmung, soweit es Dienst und Krieg zulassen. Und Post hast Du doch wol auch heute bekommen oder wirst sie noch bekommen.

Mich hat der Artikel, den Du mitschicktest, sehr interessiert. Er ist auch sehr wahr. Aber Angst vor dem Osten habe ich nicht. Vielleicht, weil man sich in der Phantasie alles schöner ausmalt und das große Ganze und nicht die Einzelheiten sieht. Ich bekäme höchstwahrscheinlich mit Dir zusammen auch nirgends Heimweh. Im Gegenteil, mit Dir zusammen finde ich es überall schön. Übrigens ist das Wort „Kullturverbraucher sehr richtig.

Ich habe übrigens alle Kampfhähne trennen müssen. Helga liegt still auf dem Bauch und liest im neuen Buch. Sie ist nicht zu bemerken. Heidi trat Klaus und schrie: „Du verknorpelt Eidechs" (Annelieses Schule). Anneliese bemüht sich sehr, leiser zu werden. Sie erzählte mir eben, dass sie statt der Blumen für mich eine kleine Figur zum Aufstellen kaufen wollte, eine Tänzerin. Darann hat miich ja nun das Glück vorbeigeführt.

Ich sehe das schöne Konzert entschwinden. Außer den Fünfen ist jetzt Anneliese, Fräulein Linda und eine Omi hier gelandet. Man versteht sein eigenes Wort nicht mehr. Zwischen Eurer Baracke und meinem Wohnzimmer ist, was Krach angeht, kein großer Unterscheid mehr. Du konntest Dir doch mehr Respekt verschaffen. Wenn es hiess: Herr Endemann ist oben, dann wagte sich alles andere nicht so ohne weiteres rein und wir waren für uns.

Ich möchte nur bei Dir sein.

Halb eins. Wir haben eben die Sondermeldung gehört. Deutsche Truppen ziehen seit 6.30 Uhr in Belgrad ein. Ach Harald, ich bin ganz außer mir. Was haben wir für Truppen. Wie herrlich ist doch der deutsche Soldat. Wie ist es nur möglich. Morgen sind es erst acht Tage her, dass der Krieg mit Jugoslawien begonnen hat, und schon sind wir in der Hauptstadt. Noch in tausend Jahren wird man vom Führer sprechen, und er wird ein Mythos an Heldenhaftigkeit und Unbezwinglichkeit sein. Wie ist es nur möglich. Und doch hat man es im Grunde schon für selbstverständlich gehalten, dass auch dieser Feldzug so rasch vonstatten gehen wird. Und es ist doch unbegreiflich. Unser herrliches Deutschland und seine herrlichen Soldaten.

Nun ist es Nachmittag und die Zeit kurz vor dem Kaffee. Ehe wir Kaffee trinken, sind wir beide erst wieder zusammen. Unsere Einquartierung bleibt den Nachmittag bei uns. Der Mann ist überhaupt kaum noch wegzuschlagen und hat sogar keine Lust, seinen Urlaub zu nehmen. Heute abend bringt er eine Flasche französischen Weißwein mit, den er zum Abendessen bekommen hat. Den trinken wir zusammen. Helga hat es ihm besonders angetan. Er hat mich eben um die Erlaubnis gebeten, mit ihr morgen vormittag spazieren gehen zu dürfen. Er unterhält sich gerne mit ihr und hat ihr eine ganz reizende Korallenkette geschenkt. Deine Tochter findet Anklang. Aber die Leseratte in ihr wird immer grösser. Ich fragte sie gestern, was sie schöner fände, selber lesen oder vorgelesen bekommen. Sie fand das erstere viel schöner.

Von einem Deiner Puddingpulver haben wir heute einen Nachtisch gemacht. Sehr schön, und wenn Du welche bekommst, schicke ruhig recht viele. 20 ct. Wird wohl nicht viel mehr wie 10 Pf. sein, und das kosten sie hier auch. Das Schöne an ihnen ist, außer dem besseren Geschmack, dass sie schon Zucker-enthalten, und das ist sonst bei Puddingkochen das trübe Kapitel.

Ich lese das neue, sehr gut besprochene Buch von Edith Mikeleitis, Die Königin. Ein Königin –Luise-Roman, das sie ganz anders zeigt, wie sie sonst geschildert ist. Die Empfindungen einer Frau sind sehr gut darin geschildert und viele könnte man selbst gedacht oder gefühlt haben. Ich hatte schon ein Kapitel davon in den Velhagen- und Klasingheften gelesen.

Die Omis kriegen bald zu viel über das ewige Geklapper mit der Schreibmaschine und fragen, was in aller Welt ich Dir nur zu schreiben habe.

Dass man nicht einfach anrufen kann, um sofort zu wissen, wie es dem Anderen geht, ob er froh ist und was er tut. Wenn Du so einen Brief bekommst, ist er schon drei Tage alt. Dann ist Dienstag gewesen und ich habe mich höchstwahrscheinlich durhgerungen und bin zu Dr. Gesler gegangen. Das will ich endlich tun. Mittwoch ist Kaffeevisite bei Frau Kummer, Freitag Kränzchen bei Frau Holtmann. Dazwischen wird weiter gehausputzt.

Der Kaffee kommt. Wir haben einen Rodonkuchen, einen Hefekuchen (gross wie ein Elefant) und eine Stachelbeertorte, damti Du genau im Bilde bist. Wenn doch blos Du als Soldat da sässest. Meinst u wirklich, dass es bis zum Herbst dauert, ehe Du Urlaub bekommst?                               Deine Lottifreni.