Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 13. Juni 1941

den 13. Juni 41

Liebster,

jetzt habe ich sozusagen geistig das Büro hinter mir geschlossen, und wir setzen uns für den Rest des Abends in unsere Couchecke. Ich habe den schwarz-rotkarierten Morgenrock an. Ich habe in der letzten Zeit an der Schläfe so viel graue Haare bekommen, dass man sie nicht mehr ausreißen kann. Und da habe ich sofort geglaubt, dass die Jugend für mich vorbei ist, ehe ich viel davon gehabt habe und hatte vollständig resigniert. Aber jetzt ist es besser. Und ich merke jetzt, seit ich allein bin, wie ich Deinen Optimismus brauche, weil ich allein zu ernst bin und nach dem Melancholischenn hin tendiere.

Heute nachmittag hatte ich nun den Geburtstagskaffee und er war sehr nett. Frau Holtmann, Frau Schubert, Frau Gesler und Frau Wolframm. Ich hatte zwei Tortenböden und einen Rodonkuchen, damit du es genau weisst und Deinen letzten Kaffee. Wenn Du nochmal welhen schicken kannst, vorausgesetzt, dass er nicht zu teuer ist, ich nehme ihn.. Und wenn du viel schickst, den, Kakao und Schokolade bekomme ich beispielsweise immer an Frau Gesler oder Frau Wolframm los.

Weisst Du, ich komme jetzt so gut mit Helga aus. Das Kind ist so veernünftig und geht so nett schon auf meine Gedanken ein, manchmal wie ein Altes. Sie und Heidi haben sich jeder einen Nähkasten eingerichtet. Natürlich haben sie dabei den meinen ausgeräubert. Und nun nähen sie bei jeder Gelegenheit.

Die Mu schreibt sehr vergnügt aus Füssen. Mit der Mutter komme ich auch sehr gut aus, und zwar habe ich die Sache auf einem ganz einfachen Modus gebracht: Ich lasse die Mutter wirtschaften und kümmere mich nicht mehr darum, ob das Gemüse abgekocht oder unabgekocht auf den Tisch kommt oder sonstige Anordnungen. Ich habe den ewigen Kampf gegen die Omis satt, und es ist mir vollkommen gleichgültig geworden. Ich habe versucht, auch nur einmal das Allereinfachste kochen zu können, aber dann hat die Mutter lieber auf etwas vorgenommenes verzichtet, nur damit ich nicht koche. Ich kanns ja nicht.

Trude, die heute da war und merkte, wie mir das Weinen näher war als das Lachen, sagte: „Nimms nicht schwer, mir geht's genauso. Mir ist mein Haushalt schon lange egal geworden, weil ich ja nicht so arbeiten darf, wie ich möchte. Ich kümmere mich nur noch manchmal um meinen Haushalt, und im übrigen lasse ich die Mutter schalten. lch habe am Anfang versucht, mich durchzusetzen, aber nun ist es mir egal."

Aber nun komme ich mit Omi Endemann sehr gut aus. Und ich,

nachdem ich erst innerlich gemeutert hatte, sage mir, ich tue, als wenn ich eine reiche Frau bin und kümmere mich nicht mehr um die Küche und wende mich eben anderen Dingen zu. Das ist das Positivste, das dabei herauskommt. Das Einholen und das Verteilen der Vorräte hat Omi Endemann dagegen widerspruchlos mir überlassen, ebenso das Zusammenstellen des Küchenzettels. Darin traut sie mir scheinbar doch. Und schließlich ist auch noch reichlich andere Arbeit da.

Gestern und vorgestern war wieder Alarm. Den Hauptsegen hat beidemal Köln abgekriegt. Meyer am Dom bezw. Schmitt am Dom ist auch hin. So langsam geht doch allerlei in Bruch, aber das ist ja bei einem Luftkrieg eben so..

Dr. Gesler gefällt es bis jetzt recht gut und er findet die Ausbildung wohl stramm, aber nicht so furchtbar, wie einige sie ihm von Iserlohn her geschildert haben. Er ist dort frontfähig geschrieben und ist froh darüber.

Du glaubst nicht, wie ich mich allein fühle, wenn ein paar Tage kein Brief von Dir gekommen ist und wie ich auflebe, wenn ein persönliches Wort,, bei dem ich merkke, dass Du mich verstehst oder aus dem ich Deine Sorge für uns fühle, darin ist. Es ist schwer für Euch, immer da draussen in Euren Baracken 8sie sind ja göttlich) zu sein, aber für uns Frauen ist es genau so schwer, Euch, die wir doch sehr stark als Schutz neben uns fühlten, so weit weg zu haben.

Hast Du herausbekommen , wie es möglich ist, dass die Frau Deines Kameraden ihn besucht? Ich würde es sofort tun. In diesem Fall gäbe es keine Sparbedenken. Das würde irgendwie gemacht. Die Soldaten, die in Thorn oder Bromberg sitzen, haben viel ihre Frauen kommen lassen, z.B. Willi Schumann und noch mehrere andere aus Godesberg.

Und Dein Geburtstag ist jetzt auch bald. Hast Du einen besonderen Wunsch? Bitte, schreib es mir. Ich kann mir hier so schlecht vorstellen, was Soldaten gebrauchen können, und wenn in der Zeitung Anregungen stehen, sind sie bestimmt alle nicht zu gebrauchen.

Wir müssen uns schreiben, wann wir können und alles, was uns bewegt. Nur so ist ein Zusammenhalt möglich. Die Zeit des Nichtsehens ist doch sehr lang. Auch wenn Dich irgendwas bedrückt, schreibe mir alles. Ich will dann von hier ausDir raten, so gut ich kann. Nur unser Kontakt darf nicht unterbrochen werden, das wäre schlimm.

Und nun wird es zu dunkel. Draussen regnet es mal wieder. Ich gehe gleich ins Heiabettchen.

Ich küsse Dich. Deine Lotti

Peifers schreibe ich jetzt auch.