Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 28. Juni 1941
den 28. Juni 41
Ich bin den ganzen Morgen gerannt und bin nun rechtschaffen müde. Samstags muss ja alles eingeholt werden, und man muss heute im Gemüseladen richtig Schlange stehen, wenn man was bekommen will. Heute morgen gab es außer dem üblichen Wirsing allerlei. Aber doll teuer. Blumenkohl 58 Pf., ein kleines Bündchen Möhren jedes 25 Pf., Kirschen 80 Pf. Erdbeeren 1.- M. Da habe ich für uns Wirsing gekauft und für Jürgen ein Bündel Möhren. Gestern habe ich für die Rangen ein halbes Pfund Erdbeeren gekauft und ihnen Erdbeerbrötchen gemacht. Es waren die ersten. Aber nächste Woche sind sie sowieso alle, und einmal sollten die Kinder sie doch haben. Aber einmachen kann ich keine. Vielleicht werden die Stachelbeeren billiger.
Diese Geburtsanzeige stand heute morgen im Westdeutschen. Leys werden auch schnell kinderreich. [Zeitungsausschnitt]
Herr Biederbick hat mir für Dich eine Schachtel Zigaretten gegeben. Er lässt Dich herzlich grüssen. Nun hat er was für Deinen Geburtstag und ich nicht. Aber wir machen es so. Wenn Du kommst, werden wir irgendwie recht nett feiern.
Nun; es ist ja Samstag, höre ich gleich den Zwei-Uhr-Nachrichtendienst, rauche eine Zigarette, die ich noch habe und lese „das Reich“. Das ist wunderschön.
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Eben im Zwölfuhrnachrichtendienst wird durchgegeben, dass die Feldpostsperre aufgehoben ist. Nun muss der Brief gleich fort, damit Du nicht länger wie nötig auf post wartest, armer Pappi.
Und bis die Post bei Dir ist, ist auch wohl Dein Geburtstag, denn ich nehme an, dass durch den großen Andrang, der zuerst einsetzt, die Briefe länger laufen. Ach, Pappi, dass ich so weit weg bin, Ich werde aber an dem Tag viel an Dich denken und mit den Kindern viel von Dir sprechen. Und Du bekommst viele Küsse von mir. Jetzt muss der Brief aber fort. Und außerdem brüllt Jürgen sich oben blau. Und morgen schreibe ich wieder.
(Aufgeklebt eine Zeitungsanzeige: Renate, Lore und Wolff haben heute ein Schwesterchen bekommen. Wir danken in großer Freude der gütigen Vorsehung für die glückliche Geburt des gesunden und kräftigen Kindes und nennen es in (!) heiligen Glauben an den deutschen Sieg, im Gedenken an die größte Epoche der deutschen Geschichte GLORIA. Inge und Robert Ley. Berlin, den 27. Juni 1941) --- - Robert Ley war Erzieher im Päda gewesen. Er stieg zum Reichsleiter derNSdAP auf.