Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 11. Juli 1941
den 11. Juli 41
Liebster Mann!
Heute morgen kam Dein kurzer, kleiner, aber mich sehr beglückender Brief. Deshalb beglückend, weil ich nicht von dem Gefühl loskomme, dass ich Dich doch besuchen werde. Ich weiß noch nicht richtig wie, aber meine, es müsste sein.
Vom ersten Mal an, wo Du von einer Verlegung nach Deutschland schriebst, habe ich an Husum gedacht. Ich habe mir oft versucht, eine andere Stadt in Deutschlands Norden vorzustellen, aber es war Husum. Vielleicht war es Ahnung, vielleicht war es Wunschtraum, diese Stadt endlich kennen zu lernen, gewesen. Auf jeden Fall bin ich, sobald ich Nachricht von Dir hatte, mit Dir in Gedanken in Husums Straßen spazieren gegangen. Ich hatte damals, auf der Durchfahrt nach Sylt, einen Augenblick aus dem Zugfenster etwas von Husum gesehen, einen kleinen Fluss oder Kanal mit Fischerbooten, alte Rokokohäuser an der Straße entlang, so, wie ich sie mir nach den Stormschen Novellen gedacht hatte. Und von der anderen Seite des Wagens konnte man das Watt sehen, ganz weit am Horizont. Husum hatte für mich immer einen besonderen Klang wie auch Weimar und Nigenbramborg in Reuters erschlichen.
Ich rechne schon den ganzen Morgen hin und her. 200,- Mk. würde die Reise mit Pension schon kosten, auch wenn man nicht üppig lebte. Ich taxiere die Fahrt auf 60.- bis 70.- Mk. die Pension täglich dürfte 6.- Mk. kosten. Oder könnte man billiger unterkommen? Du würdest bestimmt etwas Nettes heraussuchen. Es braucht nicht das erste Hotel in diesem Fall zu sein, aber wir haben ja denselben Geschmack in Bezug auf Unterkunft. Es kann ruhig ländlichen Charakter haben, wenn es nur sauber und irgendwie gemütlich ist. Könntest Du von Deinem Sold auch etwas abknappsen?
Halte mir bitte den Daumen, dass es gelingt. Vor dem ersten August wird es aber nichts werden, weil ich den neuen Familienunterhalt abwarten und sehen muss, ob Blatzheim zahlt. Außerdem muss die Mu zurück sein. Wenn ich komme, möchte ich gerne 14 Tage bleiben. Und nach Möglichkeit nicht in Hamburg übernachten.
Sonst weiss ich nicht mehr viel und lege das Brieffragment von gestern noch bei. Ich wollte es zuerst zerreissen, aber lesen kannst Du es ja doch.
Viele Küsse Deine Lotti
Stell Dir vor, die Mutter macht mir eben den Vorschlag, ich solle, wenn sie weg ist, das Päda um Erlaubnis fragen, ob ich mit den Kindern nachts drüben auf den Matratzen in der Kegelbahn schlafen darf. Sie könne sonst nicht fahren. Nun ist sie ganz beleidigt, weil ich dem Vorschlag nich begeistert zustimme. Aber wir sind doch nicht in London. Und mein Heiabett möchte ich nicht ohne Not mit der Kegelbahn vertauschen.