Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 15. Juli 1941
den 15. Juli 41
Lieber Harald,
Pass mal auf. Ich war heute bei der Stelle Mutter und Kind und habe mich nach einer eventuellen Fahrtverbilligung erkundigt. Es ist ja eigentlich eine Erholungsreise. Nun sagte man mir, dass Du dort bei der N.S.V. eine Bescheinigung beibringen sollst, dass ich dort Unterkunft bekäme, also sozusagen eine Einreiseerlaubnis nach Husum. Dann kann ich hier bei der N.S.V. die Fahrtverbilligung beantragen, und das wird ja wohl auch durchgehen, weil ich als Mutter von fünf Kindern eine Erholung nötig habe und augenblicklich Familienunterhalt bekomme. Ich würde, wenn es klappt, die halbe oder vielleicht die ganze Fahrt frei haben. Kannst Du die Bescheinigung holen? Oder hast Du dafür keine Zeit? Schreibe mir darüber ganz schnell, denn ich möchte, wenn es geht, nächste Woche schon kommen. Der Mu habe ich heute nochmal einen Brandbrief geschrieben, Sie wollte nämlich sonst erst Ende des Monats kommen.
Bei der Mu ist es wieder das übliche. Sie hat, trotz allem Abraten, das Haus doch Klemmer zum Verkauf gegeben. Nun hat Klemmer einen Käufer gefunden, der zahlt, was sie wollte (22.000.- Mk.) Da hat sie dann zuerst zugesagt, dann telegrafisch abgesagt, nun wieder halbwegs zugesagt und dann wieder telegrafiert, sie komme und wolle die ganze Sache mit Keller nochmal durchsprechen. Ist das nicht Wahnsinn? Klemmer weiß nun gar nicht, woran er ist. Und von mir will sie einen Rat haben, trotzdem sie doch unsere Einstellung zum Verkauf weiss. Nun hat sie Hans und Hansi mobil gemacht. Die wollen auch nichts von einem Verkauf wissen und mich bittet sie auf Karten händedringend, ihr zu raten. Ich habe ihr geschrieben, dass ich mich hüten würde, nachdem sie doch die ganze Verkaufsangelegenheit ohne meine Zustimmung eingefädelt hat.
Ich habe mich nach der Verschickung von Mutter und Kindern erkundigt. Die kommt für Godesberg nicht in Frage, weil Godesberg Gefahrenzone drei ist.
Deine Mutter ist heute morgen abgefahren. Sie war dann doch sehr vergnügt. Gestern abend war sie schwermütig und tat, als ob es nach Amerika ginge und sah uns im Geist unter Bomben begraben. Heute nacht war dann zum Abschied nochmal Alarm, aber nur Alarm, und die Kinder wollten nicht aufstehen. Wie ich sie aus den Betten gezogen hatte, legten sie sich auf die Erde und dann auf die Stufen der Treppe. Sie wollen jetzt nicht mehr jede Nacht aufstehen und weinen. Der Reiz der Neuheit ist weg, und das viele Aufstehen übermüdet sie. Nun hatten mir Wolframms aber so Angst gemacht, dass ich alle aus den Bettchen holte, trotzdem nichts