Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 26. August 1941
den 26.8.41
Liebster Mann,
zwischen Mittagessen und Zweiuhrnachrichtendienst bekommst Du Deinen Brief.
Als Neuestes: Die Mu hat ihr Haus heute endgültig verkauft, gegen Hansis, Theas und meinen Willen. Ich habe mich zum Schluss ganz draus gehalten. Du kennst ja das Hin und Her, und immer wieder sollte ich meine Meinung sagen, und wenn sie sie gehört hatte, kümmerte sie sich doch nicht drum. Schneiders vom Moltkeplatz haben es gekauft. 21000,- Mk., und die Provision tragen sie. Da Klemmer es gemacht hat, bekomme ich die halbe Provision. Das ist dann wenigstens noch etwas Positives. Ich möchte aber jetzt nicht Hansi hören. Aber wenn Du meinst, die Mu wäre jetzt zufrieden, dann irrst Du Dich gewaltig. Jetzt fangen die Überlegungen an, ob sie es nicht besser behalten hätte, eine durchaus überflüssige Frage, weil ja der Akt vorhin gemacht wurde.
Wolframms sind nun aus Godesberg raus. Ich hatte ihnen Bücher geliehen (Ruf aus der (Tiefe und Perdita) und habe sie trotz mehrmaligen Besuches und öfterer Versprechungen, sie wollten sie mir reinreichen, nicht bekommen. Ich war bei Ilse Gesler und habe mir ihre Berliner Adresse geben lassen. Die ist auch erbost, denn sie hatten sich drei Zentner Koks von ihr geliehen und ebenfalls trotz des festen Versprechens, sie durch die Umzugsmänner zurückbringen zu lassen, nicht gegeben. Ebenso ging es der Dame aus dem ersten Stock, die ihnen ein Badewännchen geliehen hatte. Wolframms! Aber die Bücher bekomme ich, da kannst Du dich drauf verlassen und wenn nicht mit Höflichkeit, dann mit Energie.
Gesler hat aus Hirschberg geschrieben. Wenn er erst über die Grenze ist, darf er nicht mehr schreiben. Franz Merkel traf ich heute, der Dich grüßen lässt. Wenn er Dich in seiner Abteilung hätte, meint er, hätte er Dich längst freigelassen, einen Vater mit fünf Kindern. Doll! Glaubst Du ihm? Ich nicht. Aber er kommt sich dann so wichtig vor.
Ist es wahr, dass wieder eine Urlaubssperre kommt? Hoffentlich erwischst Du Deinen Urlaub noch vorher. Kannst Du nicht auf geschäftliche Arbeit hinweisen?
Klaus hat sich mit Ursel gezankt. Er sollte sich mit ihr vertragen, war aber erheblich eingeschnappt. Er meinte, Frauen wären nur dazu da, um Männer zu ärgern, Ursel, die ihn gezergt hatte, stand mit gekränkter Miene und wartete, dass er sie in den Arm nähme und tröste. Sie kam sich durchaus als der leidende Teil vor.
Deine Karte aus Hamburg habe ich bekommen. War es hübsch? Bist Du geflogen oder ge-fahren? Warum kannst Du nur nachts fahren, wenn Du Urlaub bekommst?
Die Mu will nun noch diese Woche nach Stettin. Wann Deine Mutter wiederkommt, weiß ich noch nicht, Bohnen zum Einmachen habe ich doch nicht bekommen, auch noch keine Gurken. Der Erzeuger darf nicht mehr direkt abgeben, und in den Geschäften bekommst Du nichts. Ich wünsche jetzt, ich hätte mir im Frühjahr das Dörrgemüse gekauft,
Gestern war ich im Film ´Frau Luna‘. Er entspricht nicht dem Aufwand, der von ihm und um ihn gemacht war.
Helga kommt eben nach Hause, jetzt, um viertel nach zwei. Sie hat zugesehen, wie die Häuser in der Goebenstraße eingerissen wurden und hat darüber ihren Hunger vergessen. Godesberg ist nicht Husum. Ich glaube, dass man in acht Tagen außer einem freien Platz nicht mehr viel sieht in der Goebenstrasse. In Husum holten sie ja alle acht Tage ein paar Backsteine weg.
Kommt heute ein Brief von Dir? Ich warte sehr darauf. Ich möchte Dir überhaupt auch so viel Liebes schreiben. Ich spreche so oft mit Dir und sage Dir soviel, was mich bewegt, aber schreiben kann ich es nicht. Oder es müsste dann sofort geschrieben werden.
Eben kommt Dein schöner, langer Brief. Die Karten von Nordstrand hatte ich auch bekommen und sie hin und her gelesen und miterlebt und mich gefreut, dass Du an einem Nachmittag zwei Karten schriebst. Dann muss ja der Nachmittag mir gehört haben.
Du schreibst, dass Du den Urlauberzug nach Maastricht benutzen musst, wenn Du Urlaub bekommst. Kannst Du dann nicht mit dem Mittagszug aus Hamburg fahren? Der hat doch Urlauberabteile oder ist sogar ein Urlauberzug mit Abteilen für Zivilpersonen. So genau weiss ich das nicht mehr. Der fährt über Hamburg, Münster usw.
Übrigens gäbe ich das ganze Siebengebirge für Thordsens großes Speicherhaus, wenn ich da sein könnte. Deine Lotti
Liebster, ich habe einen Film. Biederbick führt jetzt Filme und als guteer Kunde bekommt man in großen Abständen einen. Soll ich ihn schicken oder willst Du hier (Kinder, Zimmer und so) Aufnahmen machen? Den Briefumschlag mag ich ihm auch nicht schicken. B. meint, der käme dann nicht an, weil sie so knapp sind. Überhaupt fangen die primitivsten Dinge an auszugehen. Einen Kuchen kann ich Dir nicht backen, weil seit meiner Rückkehr keine Eier zugeteilt sind. – Jetzt kommt wohl bald Frau thelen. Soll ich mir auf Helgas und Heidis Karte noch einen Winterstoff kaufen? Oder meinst Du, dass nächstes Jahr der Krieg zu Ende ist? (Helgas Karte ist noch nicht wieder da, nur Heidis. Die wird wohl auch verschwunden bleiben.
Hast Du den Handschuh bei Olsens gefunden? Die Mu jammert den ganzen Tag hinter ihrem Haus her.
Ich wollte so gerne noch die Stormschen Novellen. Psyche, Drüben am Markt und Halligfahrt haben. Sie sind nicht zu kriegen.
Hoffentlich bekommst Du Urlaub! Es ist direkt aufregend, diese Spannungl