Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 28. August 1941

den 28.8.41

Liebster Mann!

Ich habe nun glücklich fünf Tage nichts mehr von Dir gehört und warte sehr auf Post. Jeden Tag, in den Tagen, als keine Post kam, dachte ich, Du ständest auf einmal da, weil es doch hieß, dass Du Urlaub bekommen solltest. Ich warte so sehr darauf, erstens mal, weil Du so lange nicht mehr hier warst, Pappi. Deine Kinder wissen schon gar nicht mehr, wie Du aussiehst, und zweitens, und das noch besonders, weil sich geschäftlich so allerhand aufgehäuft hat, das ich die ganzen Monate immer durchgezogen habe. Nun habe ich den Leuten gesagt, dass Du bald Urlaub bekommst, und nun rennen sie mir die Bude ein.

Es tut mir ja doll leid, dass ich wieder solchen Wust Arbeit für Dich habe. (Was ich irgend konnte, habe ich ja gemacht, dafür kennst Du mich ja.) Ganz besonders wichtig ist der Verkauf Katernbergstrasse in Elberfeld mit der Stadt und Wöller. Ich habe sie so weit, dass sie spruchreif ist, aber nun kann ich nicht weiter. Ich habe Wöller und Sohn vertröstet auf Deinen Urlaub und ebenso dem Rechtsanwalt Wiel und Rittmeister Engels geschrieben, dass sie sich noch so lange gedulden sollten, bis Du kämst. Die Stadt Elberfeld will ja nun klar sehen.

Herr Dürholt kommt auch jeden Tag, ebenso hätte ich Dich gerne bei der Sache Königsfeld.

Ach, Pappi, wenn Du doch mindestens 15 Tage Urlaub bekämst. Aber das ist wohl viel, was? Aber dann hättest Du doch wenigstens ein paar Tage richtige Erholung dazwischen. Das letzte Mal war es doch zu schäbig und ich kam mir richtig schuldbewusst vor, als Du so unbefriedigt abfuhrst, weil wir gar keine Zeit für uns hatten und bis zum letzten Moment nur immer schufteten. Die letzte Nacht haben wir sogar bis zwei gearbeitet. Und der enttäuschte Brief, den Du mir schriebst. Aber immerhin warst Du da.

Ich schicke Dir per Postanweisung 50,- Mk. Bitte, besorge dafür besonders Betttücher, Strümpfe, auch Kämme zur Reserve, auch Schokolade und Eierkognak, Kinderstrümpfe

und wenn ein hübscher Kleiderstoff dabei ist, auch den und was Du sonst noch siehst und meinst, dass wir es gebrauchen können. Ich chicke die 50 Mark, weil ich ja die Provision für den Hausverkauf wohl am Ende des Monats bekommen werde (Mus haus).. Anneliese hätte auch gerne Strümpfe.

Heute nacht war wieder der übliche Alarm. Merkwürdigerweise hat diesmal das ganze Haus die Warnung nicht gehört. Gegen halb vier wachte ich dann vom Flakschießen auf und sah vom Kinderzimmerbalkon aus den ganzen Horizont taghell erleuchtet, wie ich es noch nie gesehen habe. Das muss lieblich gebrannt haben, vorgestern sind beim Godesberger Bahnhof Blindgänger runtergekommen. Und trotzdem, trotz Alarm und Kartoffelknappheit, bin ich guter Dinge und das ist nur, weil ich weiß, dass Du mich lieb hast, dass alles Schwere vorbei ist und weil ich Dich vorläufig in Sicherheit weiß. Komischerweise ist das nachts, wenn ich Angst bekomme, ein beruhigender Gedanke, dass Du da oben sicher bist.

Unsere gute Änne hat uns 13 Pfund Erbsen geschickt. Ich war selig, denn morgens und abends die ganze Bande satt machen und manchmal nicht wissen womit, ist ein Problem. Der jüngste Sohn von Gammler ist in Russland gefallen. Ach, Pappi, wenn Du doch bloß kämst!!!!!!

Deine Mutter ist noch in Nassenerfurt. Die Mu will nun morgen nach Stettin, Thea hat eine Sehnenscheidenentzündung an der rechten Hand und telefoniert andauernd.

111100000 Küsse. Deine Lotti

Reserviere bitte schon Sachen, bis das Geld kommt. Ist ein Anzug für Klaus oder Jürgen dabei? Oder ein Pullover für mich?