Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 31. August 1941

den 31.8.41

Liebster!

Ist das eine vergnügte Bande! Wenn Du jeden Tag einen Brief von mir haben willst, kann ich es nicht vermeiden, dass immer wieder dieselben Themen, Haus, Kinder usw. kommen, weil ich ja sonst nicht viel Merkwürdiges erlebe.

Der Sonntagmorgen ist so schön hingegangen. Ich habe meinen Schweinebraten gebrutzelt, den Salat gemacht und dazwischen den jaulenden Jürgen versorgt. Vor Tisch kamen alle vier dann vergnügt wie die Heidelerchen an, alle waren in der Kirche gewesen, und dann gab es einen sehr vergnügten Mittagstisch. Jedes wusste ganz schrecklich wichtige Neuigkeiten, besonders Ursel hat immer viel erlebt. Die Kartoffeln wurden mit Argusaugen bewacht, damit nur ja keiner mehr wie der andere bekam (wie es früher mit dem Fleisch war). Helga hatte sich einen ganzen Teller voll geschüppt, der ihr dann unter Protestgeschrei der anderen zum Teil wieder weggenommen wurde. Sie ist ja ein großer Kartoffelesser.

Und dann wurde bei Tisch besprochen, dass Pappi, wenn er kommt, aber diesmal mit allen Kindern einen Ausflug machen muss. Das zweite große und alle interessierende Thema ist natürlich Helgas Geburtstag. Ursel wusste zu berichten, dass Biggi (Brigittchen Foegen) den Jürgen "geknifft" hätte und dass Klaus mit einer Schere die Ursel Siefken schneiden wollte. Klaus sagte nicht viel, sondern hielt sich an den Endiviensalat. Und dann zog Heidi ab in die Küche, um abtrocknen zu helfen. Helga und Heidi helfen jetzt ein über den anderen Tag, dadurch ist jetzt endlich Ruhe in der Küche eingetreten. Die Zwei können nicht zusammen sein, ohne dass offene Feindseligkeiten ausbrechen, und Heidi plärrt dann immer noch so durchdringend wie früher.

Heute nachmittag hat Anneliese frei, und ich habe alle fünf allein. Spazierengehen können wir nicht, das Wetter sieht nicht danach aus. Was ich nun mit ihnen anfange, weiß ich noch nicht. Helga schlägt Vorlesen vor, aber das wird an Ursel und Jürgen scheitern.

Nun ist es fast fünf. Ich freue mich doch, wenn alle im Bett sind. Soviel Wünsche, soviel Höschen zu knöpfen, Kleidchen zu ziehen, Zanktrinen auseinander zu bringen. Dazwischen habe ich Wäsche gewaschen, Schränke nachgesehen, Windeln gelegt und all solche nicht gerade sonntäglichen Beschäftigungen getrieben Aber morgen gibt es bei Kilian Kartoffeln, und weil man ja Schlange stehen muss, ist der Morgen dann ohnehin weg. - Eben gab es wieder wütendes Geheul. Jürgen sitzt im Wagen, und alle vier wollen ihn spazieren fahren. Rosi Lippert dazu. Die schlimmste Brüllerin war natürlich Heidi.

[Fortsetzung wohl unter 1.9.1941]