Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 9. September 1941
den 9.9.41
Liebster!
Eigentlich wollte ich heute nicht schreiben, weil ich wirklich, nicht viel weiß, aber wenn Du schreibst, dass Deine Stimmung so darunter leidet, wenn kein Brief kommt, muss ich es ja doch tun.
Draußen übt die Pädakapelle. Ich weiß nicht, was sie vorhaben, aber sie üben auf dem Platz jetzt wieder jeden zweiten Tag. Helga und Heidi sind mit Krugs Kindern in Bonn, um aus der zerstörten Wohnung Sachen zu holen. Ich selber war eben im Film "Der Mustergatte", über den ich mich wirklich königlich amüsiert habe, Rühmann ist in der Cocktailszene ja großartig. Jürgen holt mit Anneliese Eier bei Biederbick.
Hansi hat gestern ein reizendes Geburtstagspaket an Helga geschickt: einen goldigen Trachtenhut und ein kleines Lederportemonnaie mit 50 Pf. drin. Helga hat gestrahlt. Besonders die 50 Pf. imponierten ihr. Die Mu schreibt auch aus Stettin. Sie hat sich anscheinend in den Gedanken, uns nach Stettin zu verfrachten, verbissen, und ich muss auch sagen, es wäre besser als weiter in den Osten.
Heute nacht hat ein englisches Biest über Godesberg im Tiefflug vorbeifahrende Züge be-schossen, und sehr viele Schüsse sind in die Fenster der Häuser gegangen. Ich habe es erst erfahren, als ich in der Stadt von der Kalls Schaufenster ausgeräumt fand und es mir ein Polizeibeamter sagte.
Gestern habe ich sofort den kleinen schwarzen Koffer für Dich auf die Bahn getragen. Jetzt musst Du aber kommen. Und jetzt Schluss, mein Liebster, ich weiß nichts mehr und habe viel zu tun, Ich warte nur noch auf Dein Kommen, Deine Lotti