Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 6. November 1941
den 6.11.41
Liebster Mann!
Manchmal wird das tägliche Schreiben richtig schwer, nicht weil ich keine Lust habe, sondern weil sich die Tage in ihrer Art so gleich sind, dass ich eigentlich immer wieder dieselben Grundthemen behandle, und dann denke ich manchmal, es wird ihm langweilig, immer dasselbe zu lesen, und er fragt sich, ob ich denn gar nichts anderes weiß.
Heute bekam ich Deinen Brief vom 3.11. Und das Buch werde ich mir besorgen. Dass Du ein Geschwür im Rücken hast, tut mir sehr leid. Ich ärgere mich hier mit Helgas Geschwüren rum, zuerst hatte sie welche um das Kinn rum, und nun kommen andere Sorten an die Nase.
Heidi war heute bei Dr. Feldmann wegen der Augen. Er hat ihr ein Präparat verschrieben, das sie acht Tage in die Augen bekommt und dann kann er sehen, ob sie kurzsichtig ist. Das Wesentliche für Heidi ist dabei, dass sie acht Tage nicht in die Schule braucht.
Deine Mutter war sehr pikiert, als sie las, was Du über das Grüßen geschrieben hast. Sie könne sich nicht erinnern, jemals Deine Art des Grüßens an sie kritisiert zu haben, aber schließlich müsse ja ein Sündenbock sein.
Ich möchte Dir ja so gern etwas schicken, aber Wurst wird in Feldpostpäckchen schlecht. Die Plätzchen hast Du sicher noch nicht bekommen. Ich hatte sie vorige Woche weggeschickt. Sehr süß sind sie nicht, es sind mehr Keks, aber Zucker ist bei den vielen Kindern sowieso ein trüber Punkt, trotzdem es niemals, auch für die Kinder nicht, Zucker in den Kaffee gibt. Als Du da warst, wurde eine Ausnahme gemacht.
Aber ich lege Dir ein paar Fleischmarken für die nächste Woche bei und Käsemarken, damit Du was Fütterchen hast.
Und ich renne! Ich renne jeden Morgen, gestern durch ganz Bonn wegen einem Reißverschluss, natürlich negativ. Und heute hinter Fisch her, der in allen Läden schon weg war, als ich kam. Ich hatte die drei Kleinen in den Kindergarten gebracht, und die wollten nicht vorwärts. Und weil mein Bein in den letzten vierzehn Tagen wieder so weh tat unten an der dicken Stelle, bin ich gestern bei Dr. Schampel gewesen. Der hat mir nun zu meiner großen Erleichterung gesagt, dass es keine Vene sei, sondern ein verhärteter Muskel von zu vielem Laufen.
Von Wolframms habe ich auf meinen Brief hin nichts gehört. Wie rätst Du mir, dass ich schreiben soll? Ich will meine beiden Bücher, Pedita und Ruf aus der Tiefe wiederhaben. Soll ich drohen. Zur Höflichkeit habe ich keine grosse Lust mehr. Hauptsächllich, wo doch so langsam rauskommt,
dass sie Gott und alle Welt vorsätzlich angepumpt haben um hunderte von Mark und sie nun nicht wiedergeben. Ausserdem hat er Jedem etwas anderes erzählt, wo er eine Stelle hat. Einem in Chemnitz, einem in Rheydt, einem in Gotenhafen und Frau Arndt hat ihn in Heilbronn gesehen. Ich habe die Adresse ihrer Eltern, an die ich schreiben werde. Wie soll ich es machen?
Vorgestern sind die Flieger in Nordostdeutschland gewesen laut OKW-Bericht. Dann wird die gute Hansi in Danzig ja wohl etwas Alarm mitbekommen haben. Und gestern abend schaltete schon vor acht der Deutschlandsender ab, aber Köln nicht, dann werden sie auch wohl im Osten eingeflogen sein. Aber das wird ja wohl gleich der Bericht bringen.
Draußen ist es jetzt so rauh und winterlich, wie wir es hier um diese Jahreszeit noch gar nicht gewohnt sind. Unser Hausflur ist lausig kalt, und in der Kindermansarde sind es jetzt schon nur sechs Grad. Ich heize aber vorläufig noch nicht da oben, zur Empörung der Trabanten.
Gestern habe ich beim Vesdepbüro wegen des Heftes nachgefragt, und habe gleichzeitig gesagt, dass ich die Nachnahme zurückgehen liess, weil Du eingezogen seist. Fräulein Zierke sagte, dass der Versdep bisher einen Erlass bei Eingezogenen nicht eingeführt hätte, worauf ich sagte, dass die ja wohl im Grosen Ganzen begüterter wären als wir und dass für mich bei der grossen Familie und dem Unterhalt 10.- Mk. eine dumme Ausgabe seien. Sie will es nun dem Fuss Öbel, der jetzt Vorsitzender ist, vortragen. Ist es recht so?
Nun wird Schluss gemacht weil Frau Thelen kommt.
1000 Küsse, 1000 Grüße, und ich unterschreibe mit der Schreibmaschine, weil mein Füllfederhalter kaputt ist. Ich bekomme ihn erst im Januar wieder. Deine Lotti