Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 19. November 1941
den 19.11.41
Liebster Harald!
Also, nun ist das Vesdep-Heft heute doch gekommen, und ich schicke es Dir hiermit. Es ist fast halb zwölf, und lange wird der Brief deshalb nicht. Ich habe einen schönen, lustigen Abend mit Frau Hillenbrand und Frau Clausen verlebt. Zuerst haben wir Plätzchenteig gemacht, und dann haben wir anschließend Punsch getrunken und sind sehr lustig geworden, haben auch viel Interessantes gesprochen.
Als ich nach Hause kam, hat mich Deine Mutter dann fast nicht beachtet. Ich merkte aus allen Knopflöchern die Verurteilung meiner leichtsinnigen Person, die, statt Strümpfe zu stopfen, sich derart amüsiert.
Am Freitag ist im Päda ein Konzert, und Frau Hillenbrand bat mich, mit ihr hinzugehen. Ich war zu bang, es Deiner Mutter zu sagen, denn sie zeigt mir ihre Meinung über meine negativen Eigenschaften reichlich deutlich. - Dafür lagert aber die ewig trübselige Stimmung Deiner Mutter wie eine schwere Nebelwolke über dem ganzen Haus, und ich werde, weil ich in dieser Beziehung eine empfindliche Antenne habe, förmlich angesteckt, so dass es mir schwer wird, meine innere Heiterkeit und eine positive Einstellung zu allem zu bewahren. Und dann kann für einen kurzen Tag bei Deiner Mutter das Gewölk zerreißen, und sie kann ganz reizend lustig sein wie vorige Woche, als ich mein Kränzchen hier hatte und sie dazu bat.
Du glaubst gar nicht, wie es mich kränkt, immer wieder von dem anderen die Meinung zu fühlen oder wie vorige Woche klar zu hören, dass man seine Pflicht nicht tut. Ich glaube bald selber daran. Und man wird so unsicher. Ich bin seit Deinem Weggang noch nicht wieder beim Friseur gewesen, erstens, weil ich so viel zu tun habe, und zweitens, weil ich ganz einfach Deine Mutter scheue, die dann das ganze Register von allem, was man früher nicht tat und heute nötig zu tun haben glaubt, zieht. Es ist weiß Gott so, dass ich bei solchen Reden ein ganz schlechtes Gewissen kriege und das Gefühl, etwas zu tun, was eigentlich nicht sein dürfte.
Im übrigen bin ich herrlich müde von dem schönen Punsch, den Frau Clausen, die als Flensburgerin etwas davon versteht. gebraut hat. Wir haben sehr viel gelacht, denn auch Frau Clausen ist für eine Oma noch enorm jung mit sehr vielen Interessen, einer sehr normalen Lebensanschauung und dabei, wie Frau Hillenbrand sagt, eine ausgezeichnete Hausfrau.
den 19.11.41
Liebster Harald!
Also, nun ist das Vesdep-Heft heute doch gekommen, und ich schicke es Dir hiermit. Es ist fast halb zwölf, und lange wird der Brief deshalb nicht. Ich habe einen schönen, lustigen Abend mit Frau Hillenbrand und Frau Clausen verlebt. Zuerst haben wir Plätzchenteig gemacht, und dann haben wir anschließend Punsch getrunken und sind sehr lustig geworden, haben auch viel Interessantes gesprochen.
Als ich nach Hause kam, hat mich Deine Mutter dann fast nicht beachtet. Ich merkte aus allen Knopflöchern die Verurteilung meiner leichtsinnigen Person, die, statt Strümpfe zu stopfen, sich derart amüsiert.
Am Freitag ist im Päda ein Konzert, und Frau Hillenbrand bat mich, mit ihr hinzugehen. Ich war zu bang, es Deiner Mutter zu sagen, denn sie zeigt mir ihre Meinung über meine negativen Eigenschaften reichlich deutlich. - Dafür lagert aber die ewig trübselige Stimmung Deiner Mutter wie eine schwere Nebelwolke über dem ganzen Haus, und ich werde, weil ich in dieser Beziehung eine empfindliche Antenne habe, förmlich angesteckt, so dass es mir schwer wird, meine innere Heiterkeit und eine positive Einstellung zu allem zu bewahren. Und dann kann für einen kurzen Tag bei Deiner Mutter das Gewölk zerreißen, und sie kann ganz reizend lustig sein wie vorige Woche, als ich mein Kränzchen hier hatte und sie dazu bat.
Du glaubst gar nicht, wie es mich kränkt, immer wieder von dem anderen die Meinung zu fühlen oder wie vorige Woche klar zu hören, dass man seine Pflicht nicht tut. Ich glaube bald selber daran. Und man wird so unsicher. Ich bin seit Deinem Weggang noch nicht wieder beim Friseur gewesen, erstens, weil ich so viel zu tun habe, und zweitens, weil ich ganz einfach Deine Mutter scheue, die dann das ganze Register von allem, was man früher nicht tat und heute nötig zu tun haben glaubt, zieht. Es ist weiß Gott so, dass ich bei solchen Reden ein ganz schlechtes Gewissen kriege und das Gefühl, etwas zu tun, was eigentlich nicht sein dürfte.
Im übrigen bin ich herrlich müde von dem schönen Punsch, den Frau Clausen, die als Flensburgerin etwas davon versteht. gebraut hat. Wir haben sehr viel gelacht, denn auch Frau Clausen ist für eine Oma noch enorm jung mit sehr vielen Interessen, einer sehr normalen Lebensanschauung und dabei, wie Frau Hillenbrand sagt, eine ausgezeichnete Hausfrau.