Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 22. November 1941

den 22.11.41

Lieber Harald!

Endlich kam wieder ein Brief von Dir an. Das ´Reich´ habe ich. Es kam gerade am Sonntag.

Die Trabanten sind alle mit Anneliese spazieren gegangen. Solange habe ich Ruhe, denn wenn sie zurückkommen, wollen sie mit mir Weihnachtsarbeiten für die Omis machen. Oben liegt schon alles bereit. Was an mir liegt, sollen die Kinder auch dieses Jahr an Weihnachten auf nichts verzichten, auch Weihnachtsgeschenke kriege ich so nach und nach zusammen. Vorgestern habe ich z.B. bei Nietgen einen Brummkreisel für Ursel, eine Trommel für Klaus und ein Pferdchen mit so Klingelgedöns hinter sich für Jürgen erwischt. Morgen fange ich an, Springerles zu backen, und diesmal sogar in den richtigen Formen, wie es sich gehört. Frau Schubert hat sie mir geliehen. Überhaupt werde ich sehr viele Plätzchen backen, damit etwas auf die Teller kommt. Das geht bei richtiger Einteilung auch sehr gut. Wir werden überhaupt in den Festtagen recht schön leben, was das Essen anbelangt. Dafür sorge ich jetzt schon. Alles, was ich sparen kann an Fett oder Fleisch, werde ich, in jeder Woche ein bisschen, gutschreiben lassen, habe ich einen Festtagsbraten mehr und so mache ich es mit Käse und Butter.

Es ist genau so wie mit dem Abbinden alter Bären. Du schreibst, dass Du es bewunderst. Soviel zu bewundern ist da eigentlich nicht. Es ist nur daher, dass mich diese dummen alten Sachen wie ein roter Faden durch mein Leben begleiten, und ich vergesse sie, zumindestens im Unterbewusstsein, nicht. Das bestimmt nun alle Handlungen, und ich habe eben nur den Gedanke, damit fertig zu werden, um mich dann weiter an den Aufbau zu machen. Z.B. beweg mich jetzt nach Deinem letzten Brief der Gedanke, woher ich die 500.- Mk., für Elberfeld nehmen soll, oder wenn ich sie, wie Du willst, überweise, wie ich den jetzigen Stand wieder erreichen soll. Kannst du nicht wenigstens 300.- Mk. beschaffen? Dann nehme ich Dezember 200.- Mk. von mir statt 159.- Steuer zu überweisen. Dann könnte ich so nach Elberfeld überweisen und hier die Sache wäre einigermassen richtig. Ich würde Dir dann voschlagen, wenn Du 300.- geliehen bekämst, statt mir 30.-Mk. zu schicken, demjenigen monatlich a40.- Mk. abzuzahlen, und falls Du dann mit 20.- Mk. nicht auskommen solltest, Dir Geld von mir schicken zu lassen. Wäre das nicht eine ganz gute Lösung? Ich möchte nicht gerne, dass weniger wie 1000.- Mk. auf dem Konto sind und habe dann vor, die Steuern im nächsten jahr alle von mir aus zu zahlen und denke, dass wir dann damit bei sind. Schreibe bitte schnell, wie du darüber denkst. 300.- Mk. zu leihen, Sollte doch nicht so schwer sein, oder soll ich hier zu Klemmers gehen? Lieber wäre es mir allerdings, Du tätest es.

Dass Du Dich jetzt schon um den Osten bemühen willst, finde ich richtig.. Aber wäre es nicht auch gut, die Verbindung mit Hans deswegen schon aufzunehmen? Vor kurzem schrieb noch die Mu, dass Hans eine Stelle gehabt hätte, von der er meinte, dass sie etwas für Dich sei, aber da sie ja nicht frei bleiben konnte, bis der Krieg zu Ende ist, musste er sie besetzen. Sieh aber auch drauf, dass es eine Stelle mit Aufstiegsmöglichkeiten ist. Am besten eignest Du Dich ja für etwas in der Art von Organisatorischem oder Aufbauendem. Ich weiss mich nicht richtig auszudrücken, aber Du weisst ja auch, was ich meine. Weil Du Dich ja kennst. Ich meine etwas, in dem Dein Verstand und Deine Fähigkeiten, zu vermitteln oder zu überzeugen oder zu verhandeln, zur Geltung kommt. Wäre Stettin nicht auch schön? Ich trenne mich teils gerne, teils ungerne von Godesberg.

Deine Parteinummer ist: 17782174. Bei der H.J. bist Du ein Stüfchen raufgeklettert, aber ich finde den Pass nicht. Ich habe ihn irgendwo gut versteckt, aber ich kann im Augenblick nicht sagen wo.

Heidi bekommt nun eine Brille, und zwar 5,5 und 4,5. Das genügt, nicht? Dr. Feldmann sagt, es sei Endemannsches Erbteil. Aber astigmatisch, wie Du befürchtetest, ist sie nicht. Nur muss ich jetzt sehen, dass das Kind die Brille auch trägt. Sie will nicht, weil sie meint, in der Klasse würden alle zu ihr "Scheel Kruk" sagen.

Über die Nachricht vom Tode Möders gestern abend war ich völlig erschüttert. Es ist so unfasslich und wirbelt mal wieder alle Fragen nach dem Sinn des Lebens in einem hoch.

Ich lege Dir die Todesanzeige von Gero Zimmermann bei. Da die Anzeige an Dich persönlich gerichtet ist, schreibst Du wohl am besten, weil Du ja schliesslich Zimmermanns besser kennst wie ich.. Ich kann mir den Sohn überhaupt nicht vorstellen.

Ich habe Edith mal angerufen. An Urlaub ist bei Charly nicht zu denken, sagt sie. Er hat scheinbar Krach mit seinem Hauptmann bekommen und fährt nun nicht mehr ihn, sondern ist in der Küche beschäftigt und fährt einen Panjewagen, um Lebensmittel zu holen. - Dann traf ich auch Gottlieb mit der hohen Frisur. Er ist jetzt auch bei der Luftwaffe, aber irgendwas mit silbernen Litzen, und ist gerade nach Königsberg verlegt worden.

Nun trinke ich Kaffe. Ich bitte Dich, überlege Dir das mit den 300.- Mk. ob es nicht so richtiger ist, damit es endlich mal in Ordnung ist (das Konto nämlich).

Ich habe bei Schreiner Radermacher Bauklötzchen für den Jungen bestellt. Für Deine Mutter habe ich eine hübsche Wachsperlkette bei Schumanns gekauft. Sie ist selig, weil dieses Geschenk mal ausnahmsweise so ausgefallen ist, wie sie es sich wünscht, und ist seitdem sehr nett. Ich bin sogar im Konzert gewesen.

Im übrigen möchte ich schrecklich gern mal wieder leichtsinnig sein,   Deine Lotti