Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 21. Januar 1942

den 21.1.42

Lieber Harald!

Heute ist Mittwoch, und die letzte Post habe ich am Samstag bekommen. Du lässt mich lange warten. Und mir geht es auch ziemlich dreckig. Viele, eigentlich nicht zu bewältigende Arbeit, Kälte im ganzen Haus, das einzig warme Zimmer ist das Wohnzimmer, und das wird auch nur zwischen 14 und 15 Grad warm, ewiger, mürbe machender Kleinkram, seit Wochen keine Abwechslung, wenig Geld in der Tasche und eine schlecht gelaunte Oma, die der einzige Mensch ist, mit dem man zusammenkommt. Ja, meinst Du denn, mir fällt es immer leicht, Briefe zu schreiben, und meine gute Stimmung muss ich mir manchmal verflixt weit herholen. Da ist tatsächlich Post von Dir. das einzige, was überhaupt in diesen Tagen irgendwie Abwechslung und Spannung gibt, auch wenn die Briefe nicht fröhlich wären. Und Du schreibst nicht. Sieh einmal, alle Sachen, die anderen Frauen Spass machen und Abwechslung bringen, wie Fahrten nach Bonn oder Köln zum Einkaufen oder ins Café gehen oder abends mal ausgehen oder irgendsowas gibt es doch für mich seit Monaten und Monaten nicht mehr. Meinst Du, mir fällt das ganz leicht, so freiwillig auf alles verzichten, nur damit wir in Ordnung kommen? Und dann schreibst Du mir noch nicht mal.

Ach, ich bin heute abend etwas heulerig aufgelegt, das ist alles. Man ist so durchgefroren, wenn man den ganzen Tag in allen kalten Räumen arbeitet, und dann (wenn ich den Abend-tisch decke, mache ich es immer nett), aber Omi Endemann macht es, wenn sie deckt, nach ihrer Lieblingsmanier, Küche, Pfanne und möglichst primitiv. Ich sage grundsätzlich nichts, denn alles geht vorbei, aber heute abend mutete sie mir zu, aus den ungespülten Tellern der Kinder, an denen noch der ganze Puddingknies hing, mein Gemüse zu essen, und da habe ich revoltiert, und da waren denn die bissigen Bemerkungen wegen vornehmen Getue usw. da. Das hat mich geärgert. Arbeit ist doch nicht gleichbedeutend mit Absinken ins proletarierhafte.

Ach, lass mich heute abend etwas knöttern, mir ist so richtig nach Ausheulen zumute. Ich gehe im Großen und Ganzen allem immer wieder mutig und freudig zu Leibe, aber manchmal setzt es aus. Morgen ist es wieder gut. Und morgen ist vielleicht auch Post da.

Ich schicke Dir hier die Abrechnung der Deutschen Bank zur Unterschrift. Sollen wir unser Konto dort nicht auflösen? Ich bin gerade mit fertig geworden und nun ist man schon wieder mit 10.- Mk. belastet. Diese 13.- Mk. müssen dann doch auch bezahlt werden. Und wie kriegt Holbach Zinsen und Spesen berechnet? Schreib es mir bitte.

Müssen wir nicht Frau Engels auch 500.- Mk. schicken? Es ist doch besser.

Heute kam Dein Paket mit den Soldaten. Klaus war selig. Nun passen die auch noch so schön in den Kutter, den er zum Geburtstag bekam, die freude war also gross. Und ich danke Dir auch herzlich für die anderen Sachen. An Hautcremes habe ich natürgemäss einen großen Verschleiss. Und das Gelbe, was Du mitgeschickt hast, ist das Wachs oder Bernstein?

Der arme Jürgen ist nun seit Weihnachten überhaupt nicht mehr rausgekommen, weil es mit der Arbeit nicht passt. Aber bei der großen Kälte ist es vielleicht auch nicht schlimm. Er ist ungeheuer übermütig und fängt wahre Ringkämpfe mit mir an, wenn ich ihm sein Essen bringe. Schlecht kann es ihm also nicht gehen. Und nun klettert er auch allein in die Bettchen, wenn die Gitter herabgelassen sind. Klaus musste, glaube ich, drei Jahre werden, um das zu wagen.

Sieh, ich merke, dass schon jetzt meine Stimmung bedeutend besser geworden ist, nur weil ich mir alles von der Seele schreibe. Ich kann ja auch nicht lange kopfhängerisch sein, aber deshalb musst Du doch einsehen, dass mein Leben in Bezug auf Abwechslung kein äusserst vergnügliches ist, wenigstens bedeutend weniger als alle anderen mir bekannten Frauen, und darum scheib man öfter, auch wenn Dich was ärgert und so. Mir ist alles recht. Aber wenn Du aus irgendeinem Grunde nicht magst, so schreib mir auch das.     Deine Lotti