den 26.1.42

Mein lieber Mann!

Nun komme ich erst wieder am Abend dazu, Dir kurz zu schreiben. Heute morgen war Dr. Schampel da und hat sofort veranlasst, dass die Mu ins Krankenhaus kam. Sie hat schon wieder eine Lungenentzündung, der Herd ist zwar noch nicht groß, aber strengste Vorsicht ist not.

Da wir augenblicklich das Haus der Überraschungen sind, hat auch Jürgen sein Teil dazu getan. Er ist mit einem fürchterlichen Bums aus dem Bett gefallen und hat sich solch ein Loch in die Stirne geschlagen, dass das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit mit Blut überströmt war, er selber aber war vergnügt. Da nun Dr. Schampel sowieso kam, hat er es sich angesehen und mich heute nachmittag in die Praxis bestellt, um es zu klammern. Eine Narbe wird er von dem tiefen Loch wohl bleiben.

Draußen ist tolles Schneetreiben. Heute nachmittag war es so stark, dass, als ich mit Jürgen nach Hause ging, der Schnee teilweise wie Wolken gegen uns getrieben wurde. Dick liegt er auf den Straßen, und im Vorgarten, wo keiner hinkommt, kannst Du stellenweise bis zu den Knien einsinken. Es sieht ja wunderschön aus. Die tolle Kälte ist auch vorbei, es sind nur so ungefähr 6 bis 8 Grad, so dass man eigentlich nicht friert.

Dr. Schampel meint übrigens, dass er wohl in den nächsten Tagen auch eingezogen wird.

Weißt Du, wir haben es so überlegt: Wir verlegen doch die Kinderzimmer, und zwar die drei Kleinen ins Biedermeierzimmer und die zwei Großen in Mutters Wohnzimmer, das augenblicklich ja auch nie gebraucht wird. Die Möbel werden dann alle oben untergestellt. Der Krieg wird ja wohl länger dauern und das spart dann viel Arbeit. Und das Büro wird ja wohl auch hoffentlich nicht wieder aufgemacht werden brauchen. Die Mu sagte heut noch, Hans hätte gesagt, für uns sei gesorgt, wenn der Krieg aus sei. Die Mu schwärmt übrigens mehr von Hans als von Thea, weil Hans eben so schrecklich lieb ist.

Weißt Du, Du müßtest hier sein, damit ich mich an Dich kuscheln kann, wie ich es heute Abend bei meinen Kinderchen gemacht habe.

1000 Küsse     Deine Lotti