Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 28. Januar 1942
den 28.1.42
Mein lieber Mann!
Der Jammerbrief soll doch nicht weg, ohne dass ich Dir ein paar liebe Worte sagen will. Ich würde ihn auch ganz hierbehalten, aber da ein paar Sachen drinstehen, die ich nochmal schreiben müsste, geht er eben mit. Es ist Krieg, und wir müssen sehen, wie wir möglichst gut durchkommen.
Vielleicht liegt es auch an der Witterung, dass ich nicht so gut vorwärts kann, vielleicht habe ich mich auch bloß übernommen. Auf jeden Fall klappte heute das gründliche Putzen nicht mehr. Ich habe mich gedreht und gewendet und doch nichts geschafft. Jürgen but natürlich festeweg, weil man ihn nicht zur rechter Zeit auf das Thrönchen setzen kann. Und da augenblicklich jeden Tag eine neue Hiobspost kommt, ist die heutige, dass wir von jetzt ab unsere Milch beim Hoffmann in der RoIandstraße selber holen müssen. Die Milchmänner bringen die Milch nicht mehr. Wie ich das einschalten soll, weiß ich wirklich noch nicht, und da ich kein Gefäß habe, in dem sie getragen werden kann, werde ich wohl den weiten Weg mit zwei Pötten jonglieren müssen. Die Kinder können sie nicht holen und die Mutter auch nicht, also wird die Sache wohl an mir hängen bleiben.
Dass die Mu, auf die wir uns so gefreut hatten und die uns doch allerlei geholfen hatte, nun auch krank ist, ist doch schrecklich. Und daran wird sich auch wieder eine lange Rekonvaleszenz schließen. Ins Krankenhaus muss ich natürlich auch mal jeden Tag, denn die Mu freut sich schrecklich, wenn ich komme.
Der Schnee wird immer dicker, und da es heute nicht so kalt ist, wäre eine Schneewanderung herrlich.
Der Grund, dass ich Dir schreibe ist, dass mir bei der Arbeit eingefallen ist, dass am 31. unser Hochzeitstag ist. Und deshalb sitze ich jetzt zwischen der Arbeit hier, dreckig wie ich bin, und möchte Dir doch einen lieben Kuss geben und Dir sagen, dass ich an Dich denken werde. Und es wird bestimmt noch einmal ein Jahr kommen, in dem wir den Tag wunderschön zusammen feiern. Ich wünsche bloß, es dauert nicht so lange bis dahin.
Der Brief muß beendet werden, denn wir essen gleich. Ich habe Sehnsucht nach Dir und Du bist so weit weg. Deine Lotti die Dich lieb hat.