Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 3. Februar 1942
den 3.2.41
Ach, lieber Harald!
Dies ist ein Hilferuf! Was soll ich mit der Verwaltung Fitschen tun? Ich sehe einen ganzen Rattenkönig von Verwicklungen voraus, denen ich nicht gewachsen bin. Zu solchem Durcheinander, wie es jetzt wohl kommen wird, gehört ein Mann, der erstens die Logik und die juristischen Kenntnisse hat und zweitens nicht durch einen grossen Haushalt mit allen Erschwerungen, die so das dritte Kriegsjahr mit sich bringt, belastet ist.
Also, jetzt ist die Lage die: Räumungsklage kann ich gegen die Untermieter einreichen, es wird aber keinen Zweck haben. Das hat mir heute schon am Telefon Herr Bahn erklärt. Im Gegenteil, er wird dafür sorgen, dass jetzt auch die Parterrewohnung an Godesberger vermietet wird und nicht an den Pfarrer Bell, den Frau Fitschen haben wollte. Er hat dazu gesagt, das Haus sei nun ein Mehrfamilienhaus geworden und müsste es für die nächste Zukunft auch bleiben. Er hatte, durch eine falsche Darstellung Frau Hüttens auch schon damals seinen Segen zu den Untermietern gegeben und hat klipp und klar erklärt, dass die Leute nicht herauszubekommen seien. In dem Falle sei er gegen mich,, trotzdem er einsieht, dass wir von Frau Hütten alle reingelegt worden sind.
Ich habe Herrn Rechtsanwalt Möller verständigt, aber es kann eben nicht viel gegen die Leute gemacht werden. Meinst Du, Frau Fitschen wird nun nicht gegen mich toben? Ich kann ja nichts dafür, aber ich bin in dem weiteren Verlauf der Sache natrlic nicht wortgewandt oder besser rechtsgewandt genug, um mich nun gegen Hütten und gegen die eventuellen Massnahmen der Stadt durchzusetzen.. Ich weiss ja nun nicht, ob Du mir darin beistimmst oder ob Du meinst, bei gutem Willen könne ich es. Aber dann musst Du eben Deine Meinung behalten, ich als tausendfach anders gehinderte Frau kann keinen eventuellen Prozess führen und wenn ich alles vertrauensvoll Möller in die Hände gebe, wird das wohl ein teurer Spass für uns werden.
Also, rate! ! !
Im übrigen arbeiten wir uns durch die Tage durch und warten, dass endlich wärmeres Wetter wird. Der arme Jürgen vegetiert oben im Kalten, aber unten können wir ihn nicht brauchen (manchmal ist es auch warm), weil keiner auf ihn aufpassen kann. Oben sitzt er im Bettchen. Im übrigen ist er ein Nickel und hat heute, als er mal unten war, aus Wut gegen irgendeinen Einspruch seiner Omi Endemann meinen mit vieler Mühe neu aufgeräumten Nähkasten hochgehoben und in die Ecke gepfeffert. Süß ist er ja.
Leider schmerzen meine Handgelenke schon wieder und nicht nur das rechte, sondern auch das linke. Wenn keine Entzündung entsteht, ist es ja gut.
Und was mag wohl die Firma Rau und Mathieu sagen, dass ich mich in punkto Abrechnungen seit Weihnachten so ausschweige?
Was soll ich sonst noch erzählen? Das ganze Leben ist so grau. Die Kälte hat mich richtig aus dem Gleis geworfen, so dass ich nichts Schöneres kenne, als schon kurz nach neun ins Bett zu krabbeln. Und die Freude an der Tagesarbeit wird einem auch durch das ewige Frieren genommen.
Die Mu ist fieberfrei und hat jetzt ein schönes helles Einzelzimmer, in dem ich mich, wenn ich hinkomme, richtig aufwärme.
Wirklich schön am Tage ist fast nur die Beschäftigung mit den Kindern und am schönsten die Stunde, wenn alle in den Bettchen liegen und ich ihnen eine Geschichte vorlese oder mit ihnen allerlei erzähle.
Ach, weißt Du, ich sehne mich so oft nach Dir, dem Stärkeren, dem Beruhigenden und Beschützenden. Aber das ist meistens abends der Fall, wenn ich müde bin. Am Tage gehe ich unverdrossen allen Schwierigkeiten zu Leibe (mit Ausnahme der Angelegenheit Hütten). 1000 Küsse, Deine Lotti